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Bier ist bitter | Die Iso-α-Säuren, die sich während des Kochvorgangs durch Isomerisierung aus den Hopfen-α-Säuren bilden, sind verantwortlich für die charakteristische Bittere von Bier. Das wird häufig auch als „Schlüsselreaktion des Hopfens während des Brauens“ bezeichnet. Dr. Barbara Jaskula-Goiris, Dr. Koen Goiris, Dr. Filip Van Opstaele und Prof. Luc De Cooman beleuchten in diesem Beitrag den chemischen Hintergrund der Bierbittere, die Ausbeute an Iso-α-Säuren bei der Kochung und Verluste im weiteren Brauprozess.

 

Der Echte Hopfen

Humulus lupulus L., der Echte Hopfen, ist eine mehrjährige, zweihäusige Kletterpflanze. Beim Bierbrauen kommt er schon seit dem Mittelalter zum Einsatz. Üblicherweise werden nur die weiblichen Pflanzen angebaut, da sie die Blütenstände tragen, die wegen ihrer Form auch Hopfendolden genannt werden. In den Hopfendolden befinden sich auch die Hopfenbestandteile, die Brauwert besitzen: Harze und Öle. Während der Hopfenreifung sondern die Lupulindrüsen, die am unteren Ende der Vorblätter angebracht sind, das Lupulin ab: ein gelbes, klebriges Pulver, das aus vielen verschiedenen sekundären Metaboliten besteht. Dazu zählen auch die wichtigsten Bestandteile für die Bierherstellung: Hopfensäuren, ätherische Öle des Hopfens und insbesondere Hopfenpolyphenole.

 

Illustration Humulus Lupulus
Humulus Lupulus L. aus Prof. Otto Wilhelm Thomés Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz 1885, Gera, Germany; Quelle: www.biolib.de, Illustration Humulus lupulus0, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

 

Bedeutung für den Geschmack

Obwohl man nur relativ kleine Mengen an Hopfen bei der Bierherstellung verwendet, ist der Rohstoff Hopfen dennoch entscheidend für Aroma, Geschmack und Mundgefühl eines Bieres. Die α-Säuren sind Vorstufe der tatsächlichen Bitterstoffe, der Iso-α-Säuren. Die flüchtigen Bestandteile der ätherischen Öle des Hopfens sind für das „hopfige Aroma“ verantwortlich.

 

Lupulin des Hopfens
In den Lupulindrüsen wird das gelbe, klebrige Lupulin produziert; Quelle: Visitor7, Lupulin Glands, CC BY-SA 3.0

 

Das eigentliche Hopfenaroma unterscheidet sich eindeutig vom „hopfigen“ Geschmack des mit dem Hopfen gebrauten Bieres. Das ist auf Veränderungen der ursprünglichen Hopfenölzusammensetzung während des Brauenprozesses und komplexe Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen geschmacksaktiven Bestandteilen im Bier zurückzuführen.

 

Fraktionen des Hopfenharzes
Fraktionen des Hopfenharzes; Quelle: LC Uni Hohenheim, Einteilung Hopfenharz, CC BY-SA 3.0

 

Auch Hopfenpolyphenole können sich positiv auf den Biergeschmack auswirken. Sie verstärken das Mundgefühl und die Geschmacksstabilität während der Lagerung und tragen je nach dem Grad ihrer Polymerisierung zur Bittere und Schärfe im Bier bei.

 

Hopfengabe im Kaltbereich

Heute ist Hopfenstopfen im Kaltbereich bei vielen Craft Bier-Stilen gang und gäbe. Hier möchte man das ursprüngliche Hopfenaroma ins Bier bringen. Es lösen sich bei der Kalthopfung aber nicht nur die flüchtigen Hopfenöle, sondern auch andere Hopfenbestandteile wie α- und β-Säuren, deren Oxidationsprodukte (u.a. Humulinone und Hulupone), Polyphenole, Aldehyde, Aminosäuren im Bier. Die angewendete Technologie des Hopfenstopfens (statisch/dynamisch, Intensität, Dauer) beeinflusst die Extraktionsausbeute dieser Verbindungen und damit die Qualität und Stabilität des Biergeschmacks.

 

Hauptgeschmacksmerkmal Bittere

Die Bittere als eines der Hauptgeschmacksmerkmale im Bier ist an einem Abgleich zwischen den süßen und säuerlichen Attributen beteiligt. Neben der Intensität ist die Qualität der Bittere für den Trinkgenuss extrem wichtig. Sie sollte weich und ausgeglichen sein und nur kurz nachklingen. Für viele Brauer bleibt die Konsistenz der Bittere, d.h. gleichbleibende Bittere im Endprodukt und stabile Bittere nach der Lagerung, auch weiterhin ein bedeutendes praktisches Problem.

 

Isomerisierung, oder: Woher stammt die Bittere?

Die Bittere entstammt hauptsächlich den α-Säuren im Lupulin des Hopfens. Die wichtigste chemische Umwandlung während des Brauprozesses ist die thermische Isomerisierung der α-Säuren zu bitter schmeckenden Iso-α-Säuren über die Acyloin-Ringkontraktion. Je nach Bierstil und Biermarke beträgt die Gesamtkonzentration an Iso-α-Säuren im Bier zwischen 10 mg/l und 100 mg/l.

 

Strukturformel Humulinon
Allgemeine Strukturformel der Humulone (=α-Säuren); Quelle: LC Uni Hohenheim, Strukturformel Humulon, CC BY-SA 3.0

 

Ausbeute: Welche Faktoren bestimmen den Grad der Isomerisierungsreaktion?

Die Ausbeute der Isomerisierung beim Würzekochen ist relativ gering und beträgt höchstens 50 bis 60 Prozent. Und es ist schwierig, diese Ausbeute zwischen verschiedenen Suden konstant zu halten. Dies führt zu unerwünschten, nicht konsistenten Änderungen der Bittere im Bier. Die unvollständige Isomerisierung wird teilweise der geringen Löslichkeit der α-Säuren in Würze zugeschrieben. Bei einem typischen pH-Wert der Würze von etwa 5,0 beträgt die Löslichkeit des Humulons knapp 60 mg/l bei 100 °C. Für die Isomerisierungsreaktion sind aber die anionischen Formen der α-Säuren (pKa 5-5,5) erforderlich. Bei einem pH-Wert von 5,0 liegen diese aber teilweise protoniert vor, die Reaktion kann nicht stattfinden. Neben den Löslichkeitsproblemen hängt die Effizienz der Isomerisierungsreaktion in der Pfanne von vielen Faktoren ab: Temperatur, Stärke und Dauer des Kochvorgangs, Hopfengabe und Zeitpunkt der Hopfengabe, pH-Wert, Stammwürzegehalt, Pfannendesign und Adsorption der Bitterstoffe am Proteinbruch.

Die Isomerisierung der α-Säuren erfolgt bei Temperaturen zwischen 70 und 120 °C. Jedoch sind die Isomerisierungsausbeuten bei kurzer Kochdauer bzw. bei niedrigen Temperaturen sehr gering. Beim Brauen mit hoher Stammwürze ist der Isomerisierungsgrad ebenfalls bedeutend niedriger.

 

Reaktionsmechanismus zur Bildung von Isohumulonen (=Iso-α-Säuren) aus den Humulonen (=α-Säuren); Quelle: LC Uni Hohenheim, Reaktionsmechanismus der Isohumulonbildung, CC BY-SA 3.0
Reaktionsmechanismus zur Bildung von Isohumulonen (=Iso-α-Säuren) aus den Humulonen (=α-Säuren); Quelle: LC Uni Hohenheim, Reaktionsmechanismus der Isohumulonbildung, CC BY-SA 3.0

 

Ausnutzung: Verluste nach der Isomerisierung

Als Ausnutzung [%] verstehen wir im Folgenden das Verhältnis der Menge an Iso-α-Säuren im fertigen Bier zu der Menge an zugegebenen Hopfen-α-Säuren in der Würze. Es zeigt sich, dass die finale Ausnutzung noch wesentlich geringer als die Isomerisierungsausbeute ist und nur 30-40 Prozent beträgt. Im Extremfall kann die Ausnutzung sogar bis auf 10-20 Prozent abfallen. Dies ist auf weitere Verluste der Iso-α-Säuren beim und nach dem Würzekochen zurückzuführen, d.h. auf weitere Verluste während der Würzeklärung, Gärung, Reifung und Bierfiltration.

Durch Ausfällung durch Proteine bei der Kochung finden starke Verluste statt, wobei α-Säuren leichter als ihre Isomere ausfällen. Die Verluste an Bitterstoffen (α-Säuren und Iso-α-Säuren) während der Gärung sind überwiegend auf den Hochkräusen und der darauf befindlichen Hefedecke zu verzeichnen. Nur geringe Verluste werden suspendierter Hefe zugeschrieben. Mit zunehmendem Stammwürzegehalt nehmen auch die Verluste an Hopfenverbindungen zu. Weiterhin existiert ein Zusammenhang von höheren Verlusten zu höheren Stickstoffgehalten in der Würze.

Daneben steigen die prozentualen Verluste von α-Säuren in der Pfanne mit der Menge der α-Säuregabe an.

 

Isomerisierung außerhalb des Sudhauses

Sogar wenn man ausschließlich die Würzekochung betrachtet, scheint es schwierig zu sein, die Hopfenbitterstoffe in den Griff zu bekommen. Um hohe Ausbeuten zu erzielen, führt man daher die Isomerisierung der α-Säuren zu Iso-α-Säuren außerhalb des Sudhauses durch. Zweiwertige Ionen wie Magnesium und Calcium wirken katalytisch auf die Isomerisierungsreaktion ein. Die durch die Katalyse herbeigeführte Isomerisierungsrate ist auf die Bildung eines zweiwertigen Anions als Zwischenprodukt zurückzuführen. Magnesium(II)ionen z.B. sind ein sehr wirkungsvoller Katalysator für die Reaktion mit einer Isomerisierungsausbeute von 90 Prozent innerhalb von zehn Minuten bei 70 °C. Aus diesem Grund ist die Isomerisierung von offline-katalysierten α-Säuren mittlerweile bei der Herstellung von Hopfenprodukten stark verbreitet.

Eine aktuelle Forschungsarbeit belegt den positiven Einfluss organischer Basen, insbesondere der Aminosäure Prolin, auf die Isomerisierung von α-Säuren.

Auch der Einsatz biometallischer, goldbasierter Katalysatoren für die lösungsfreie Herstellung von Iso-α-Säuren zur Erzielung einer besseren Reaktionsgeschwindigkeit wird untersucht.

 

Fazit

Die α-Säuren des Hopfens bringen die Bittere ins Bier. Durch Isomerisierungsreaktionen bei der Würzekochung entstehen Iso-α-Säuren mit bitterem Geschmack. Praktische Probleme dieser Isomerisierungsreaktionen sind:

  • Geringe Ausbeute der Isomerisierungsreaktion
  • Schwankende Ausbeute, die zu unerwünschter Änderung in der Bittere führt
  • Verluste von α-Säuren und Iso-α-Säuren während und nach der Kochung

Aus Effizienz- und Kostengründen (nur außerhalb des Reinheitsgebots gestattet!) können Brauereien auf außerhalb des Sudhauses isomerisierte α-Säuren zurückgreifen. Verfahrenstechnisch lässt sich der Vorgang z.B. mittels der katalytischen Wirkung zweiwertiger Ionen wie Mg2+ oder Ca2+ sehr effizient gestalten.

Dieser Beitrag ist die gekürzte Fassung eines Artikels aus der BRAUWELT Nr. 49, 2019, S. 1423-1426, den ihr hier findet. Im BRAUWELT Beitrag findet ihr dann auch eine umfangreiche Liste mit vertiefender Literatur.