Mehr als tausend Besucher tummelten sich beim neuen Szenetreff der Hobby- und Heimbrauer im deutschsprachigen Raum, der Home Brew Bayreuth am 13. April 2019. Am Ende des Tages wurde Heiko Müller mit seinem Kellerbier „Kaminfeuer“ feierlich zum Gewinner des 2. Hobbybrauerwettbewerbs gekürt. Für GradPlato beantwortete uns Heiko Müller einige Frage zu seiner Arbeit als Hobbybrauer.
GradPlato: Hallo Heiko, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Hobbybrauerwettbewerbs mit deinem Kellerbier „Kaminfeuer“. Vielleicht kannst du dich unseren Lesern kurz vorstellen?
Heiko Müller: Danke! Mein Name ist Heiko Müller, ich bin 40 Jahre alt, verheiratet und Vater einer zweijährigen Tochter. Seit 2012 bin ich Hobbybrauer mit großer Leidenschaft und viel Experimentierfreude. Im „richtigen“ Leben habe ich ursprünglich mal Werbekaufmann gelernt, im Anschluss Informatik studiert und arbeite jetzt als IT-Gruppenleiter am Rechenzentrum der Justus-Liebig-Universität in Gießen.
°P: Wie bist du als Informatiker eigentlich zum Bierbrauen gekommen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Heiko Müller: Das eine Schlüsselerlebnis nicht direkt, eher Neugier und mehrere kleine Erlebnisse. Ich hatte mich schon immer auf unbekannte und scheinbar ungewöhnliche Biere gestürzt, sofern diese bei uns erhältlich waren. Meistens war das dann aber nicht das, was man heute wohl im Allgemeinen unter Craft Bier versteht, sondern eher Industriebier aus anderen Ländern.
Ein kleines Schlüsselerlebnis gab es dann doch. Durch einen Rundtrip durch Kalifornien im Jahr 2011 hatte ich bereits Blut geleckt und dort meine ersten Biere von Firestone Walker und Sierra Nevada getrunken. Das war schon etwas Besonderes damals.
Dinge Selbermachen und der Umgang mit Lebensmitteln und natürlichen Produkten gehörten schon immer zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. 2012 bin ich dann im Internet auf ein Fertigbrauset mit gehopftem Malzextrakt gestoßen und die Neugier war geweckt. Das Ergebnis war überraschenderweise nicht furchtbar und ich war angefixt. Schnell ging’s dann mit dem Maischebrauen los. Ich bin zur regionalen Brauerei (Licher) und habe einfach höflich nach Malz, Hopfen und Hefe gefragt. Statt der erwarteten Zurückweisung, wurde ich sehr freundlich empfangen. Man hat mich durchs Haus geführt und ich bin letztendlich mit einer Tüte geschrotetem Malz, einer Handvoll Hopfen und einer Flasche voller frischer Brauereihefe nach Hause gefahren. Das war unerwartet und großartig!
°P: Woher hast du die Inspiration für dein Kellerbier genommen?
Heiko Müller: Wie viele andere Hobbybrauer auch, jage ich ein Stück weit der anspruchsvollen Herstellung traditioneller, untergäriger Biere hinterher. Die vermeintlich simplen, traditionellen Klassiker wie Helles, Kellerbier, Pils sind unheimlich schwer zu brauen. Kalte Gärung, Hefemanagement, Wasseraufbereitung, Verstehen möglicher Fehlaromen ... Mit diesen Themen beschäftigt man sich irgendwann.
°P: Hattest du das Rezept schon vor der Home Brew Bayreuth parat oder war das eine spezielle Entwicklung für den Hobbybrauerwettbewerb?
Ich persönlich bin großer Fan von rauchigen Bieren. Als Hesse mit einem rauchigen Kellerbier in die Heimat der Rauchbiere und der Kellerbiere nach Franken zu fahren und dort dann auch noch an einem Wettbewerb teilzunehmen, fand ich bei meiner ersten Idee fast ein bisschen größenwahnsinnig! Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt ... Und einen besonderen Twist, der das eigene Bier abhebt, finde ich unheimlich wichtig. Bei meinem Rezept war es eine kleine Menge Rauchmalz.
Das Rezept war eine spezielle Entwicklung für die Home Brew in Bayreuth, allerdings auch gleich der erste Versuch. In diesem Fall gab es also keine lange Experimentier- und Entwicklungsphase. Das hat einfach gepasst. Das ist auch manchmal anders.
°P: Wie sieht deine Ausrüstung aus und wo braust du deine Biere?
Heiko Müller: Ich habe quasi mehrere Ausrüstungen, die ich je nach Bedarf zusammenstelle. Von 10 Liter für Experimentiersude, über 20 Liter als Standardgröße bis zu 50 Liter, wenn man mal eine Feier hat.
Die 10 Liter Klasse besteht aus einem Topf, einer Induktionsplatte und einem Edelstahl Thermobehälter mit Läuterboden. Alles mit Handarbeit.
Für 20 Liter kommt mein Speidel Braumeister zum Einsatz.
Die 50 Liter Klasse wird auf einem 10 kW Gas-Hockerkocher und einer 70 Liter Sudpfanne betrieben. Ein Plexiglasdeckel mit Edelstahlrührwerk und -schleppkette angetrieben von einem Heckscheibenwischermotor eines Opel Corsa. Geläutert wird in einem großen Thermobehälter mit Läuterboden.
Gekühlt wird mit einer Edelstahlspirale. Die Steuerung der Gärführung erfolgt in einem handelsüblichen Kühlschrank mit einem Thermostat zur Temperatursteuerung. Zumindest für die untergärigen Biere. Der Großteil ist jedoch obergärig.
Bis 2015 habe ich in der Küche unserer Mietwohnung oder auf dem Balkon gebraut. Beim Einzug in unser Eigenheim 2015 habe ich mir eine Hobbybrauerei im Keller einrichten können. 25 Quadratmeter „mein Refugium“!
Ich finde es irre, wie sich mittlerweile ein Markt um die Szene herum gebildet hat. Vor sieben Jahren bin ich in den Baumarkt, den Gastronomiehandel und auf den Schrottplatz, um meine Anlagen zusammen zu dengeln. Heute gibt es motorisierte Edelstahlrührwerke, fertige Brausteuerungen, zylindrokonische Gärtanks im Homebrew-Format, Glykolkühler, All-in-one Automaten, Messgeräte mit industrieller Genauigkeit, und und und. Einfach Wahnsinn das Ganze. Wer heute mit dem Hobbybrauen beginnt und das nötige Kleingeld hat, der setzt sich für einige tausend Euro eine Miniaturbrauanlage hin, deren Technologie manchen Mittelständler staunen lassen würde. Schon schwer beeindruckend was da in wenigen Jahren passiert ist.
°P: Was ist dir besonders wichtig beim Bierbrauen?
Heiko Müller: Wichtig ist mir, nie die Neugier und Experimentierfreude zu verlieren. Die wenigsten Biere braue ich mehrmals und wenn, dann in der Regel auf speziellen Wunsch meiner Familie oder von Freunde. Neugier bedeutet sowohl mir unbekannte Stile auszuprobieren als auch neue (natürliche) Zutaten einzusetzen.
Zu solchen Stilen gehört bspw. das Grätzer. Ein traditionelles polnisches Rauchbier mit 100 Prozent Eichenrauchmalz und nur rund 3 Vol.-Prozent Alkohol, das ich vor einiger Zeit gebraut hatte. Das war ein mega spannendes Bier. Aktuell liegt ein 26 °Plato Barleywine auf Holzchips aus Aquavitfässern.
An weiteren Zutaten gab es bisher Basilikum, Fichtenspitzen, Kubebenpfeffer, Kakao, Lakritz, Limettenblätter, Zitronengras oder auch Fenchelsamen. Wichtig: Alles natürliche Zutaten. Als nächstes geplant sind Zirbenzapfen.
°P: Wie entwickelst du neue Rezepte und wer darf dann deine Bierkreationen testen?
Heiko Müller: Die Entwicklung erfolgt meist auf der 10-Liter-Anlage oder wenn ich bereits im Vorfeld ganz sicher bin, dass das passt auch im Braumeister 20. Die eigentliche Rezeptentwicklung beginnt aber mit Hilfe der vielen Tools, die es mittlerweile für Hobbybrauer gibt. Mit Malzen und Hopfensorten malt man in seiner Vorstellung quasi eine Art (mehr oder weniger komplexes) Aromabild. Die Produkte zu kennen und auszuprobieren ist wichtig. Riechen, schmecken oder bspw. einfach mal einen Hopfentee aufbrühen. Mit den Fichtenspitzen und dem Pfeffer habe ich es so gemacht. Tees mit verschiedenen Mengen, Temperaturen und Ziehzeiten aufgebrüht und probiert. Das war sehr spannend und aufschlussreich.
Zu meiner kleinen Gemeinde der Ersttester gehört außer mir zunächst nur mein Freund und Braukumpel Marco. Ihn habe ich vor einigen Jahren aus der Industriebierwelt „heraus missioniert“ und seitdem braut er auch selbst. Er hat ein faszinierendes Talent für die Wahrnehmung und Beschreibung von Aromen und ist quasi eine Art Trüffelschwein der Bierliebhaber. Sein ehrliches Urteil ist mir enorm wichtig und immer eine Art Feuerprobe. Andersrum halten wir es genauso. Wir liegen aber meistens auf einem gemeinsamen Nenner.
Zudem probiert meine Frau natürlich jedes meiner Biere. Mein Tripel, mein Weizenbock und meine IPAs sind ihre Favoriten.
°P: Wie kommst du an deine Rohstoffe?
Heiko Müller: Ich bin sehr happy darüber, dass inzwischen der Onlinehandel für Hobbybrauer sehr vielseitig ist. 2012 sah das noch anders aus. Das Angebot und die Auswahl der Shops waren viel kleiner als heute. Hobbybrauer sind zudem ein gruppendynamisches Völkchen. Man organisiert Sammelbestellungen für Malz, Hopfen und alles möglich rum ums Brauen. Meine Basismalze beziehe ich seit einiger Zeit aus wiederholten Sammelbestellungen in 25 kg Säcken. Ein Hobbybrauer aus meiner Region kommt regelmäßig an einer großen Mälzerei vorbei und lädt sein Auto dann bis unters Dach voll. Sondermalze bestelle ich online.
°P: Hast du bevorzugte Hopfensorten oder Hefestämme?
Drei meiner Hopfenevergreens sind Chinook, Simcoe und Nelson Sauvin. Die habe ich nach Möglichkeit immer vorrätig.
Bei der Hefe nutze ich zu 80 Prozent Trockenhefen aus dem Standard-Sortiment. Spezielle Stämme beziehe ich dann als Flüssighefe aus dem einschlägigen Onlinehandel oder direkt über die Hefebank Weihenstephan.
Eine meiner obergärigen Lieblingshefen ist z.B. die Wyeast London Ale III, die sich wunderbar für ein tolles Robust Porter eignet.
°P: Welchen Bierstil braust du am liebsten?
Heiko Müller: Ich bin grundsätzlich ein großer Fan von Saisons und Witbieren. Die schiebe ich immer wieder dazwischen. Ein tolles Helles ist aber gerade in den Sommermonaten nicht wegzudenken.
°P: Welche Biere trinkst du am liebsten?
Heiko Müller: Wenn man in meinen Kühlschrank schaut, dann sieht das ganz bunt aus. Nicht nur die Flaschen und Dosenetiketten, sondern auch die Stile. In der oberen Reihe stehen gerade ein Wit, ein Triple, ein Porter, ein Münchener Helles, ein Märzen und ein Imperial IPA.
Will man das richtige Bier zur Stimmung oder zum Anlass finden, ist es ein Stück weit wie mit Musik. Das muss passen. Man weiß manchmal eher, was man nicht mag. In meinem Fall wären das Sauerbiere. Ich habe großen Respekt vor der komplexen handwerklichen Arbeit und der langen Tradition der Sauerbiere, aber ich persönlich bin in den bisherigen Verkostungen noch nicht warm geworden damit.
°P: Gibst du unseren Lesern das Rezept deines Kellerbiers preis?
Heiko Müller: Natürlich.
Malz: 40 Prozent Wiener, 20 Prozent Spitzmalz, 18 Prozent Pilsener, 18 Prozent Münchener und vier Prozent Rauchmalz. Hopfen: Hallertauer Magnum zur Vorderwürze, Saazer und Styrian Goldings gegen Kochende auf rund 28 IBU, als Hefe kommt die W34/70 zum Einsatz. Anstellen bei < 10 Grad Celsius.
°P: Wie sehen deine weiteren Braupläne aus?
Heiko Müller: Mein nächster Sud wird voraussichtlich ein böhmisches Pils. Außerdem stehen ein bernsteinfarbener Bock mit Zirbenzapfen, ein Red IPA und ein Single Malt-Single Hop Saison mit Nelson Sauvin in der Pipeline.
°P: Wirst du auch bei der 3. Deutschen Meisterschaft der Hobbybrauer im Störtebeker Brauquartier mit dem diesjährigen Wettbewerbsbier, einem Brut IPA, teilnehmen?
Heiko Müller: Ich war 2017 bei der ersten Deutschen Hobbybrauer Meisterschaft bei Störtebeker in Stralsund. Ich hatte damals mit einem Nelson Strong Lager am Wettbewerb teilgenommen und auch ans Publikum ausgeschenkt. Fürs Treppchen hat es damals nicht gereicht, aber sehr viel Spaß gemacht. Allerdings 750 km mit dem ganzen „Krempel“ an die Ostsee zu fahren und kurze Zeit später wieder zurück ist hart. 2018 hatte ich dann keine Zeit. Auch dieses Jahr werde ich diese Veranstaltung auslassen. Die Wahl des Brut IPA zum Wettbewerbsthema hat mich etwas überrascht und auch in meiner Entscheidung bestärkt. Obwohl ich IPAs nach wie vor sehr liebe, kann ich persönlich mit dem neuen Hype nicht viel anfangen. Es wirkt etwas konstruiert in einem sich immer schneller drehenden Trend-Karussell und das konnte mich irgendwie nicht abholen.
Vielleicht klappt’s ja 2020 wieder und man kann die Veranstaltung dann mit einem Kurzurlaub mit der Familie an der Ostsee verbinden.
°P: Spielst du nach dem Erfolg bei der Home Brew Bayreuth mit dem Gedanken, deine eigene Brauerei zu gründen?
Heiko Müller: Nein in der Tat nicht, ich bleibe zunächst Hobbybrauer und erfreue mich an der Freiheit, brauen zu können, was ich will. Aber der Reiz schlummert natürlich auch in mir, wie wohl in den meisten Hobbybrauern. Der Bierromantiker hat Bock darauf, der Realist behält jedoch die Oberhand.
Ich hatte schon einmal das Glück, einen Wettbewerb zu gewinnen. 2016 habe ich den Hobbybrauerwettbewerb der Craft Bier-Messe in Mainz gewonnen. Damals konnte sich mein Needlejuice Fichten Pale Ale gegen die Konkurrenz durchsetzen und durfte es anschließend bei Kuehn Kunz Rosen in Mainz brauen. Auch damals wurde mir ein paar Mal diese Frage gestellt. Die Antwort ist (bis jetzt) noch die gleiche.
°P: Vielen Dank für das Interview und alles Gute, viel Spaß und vor allem viel Genuss beim weiteren Bierbrauen!
Das Interview führte GradPlato-Redakteur Christian Dekant.