Beim Innovationswettbewerb für Getränke und Lebensmittel (IGL) innerhalb der Studienfakultät Brau- und Lebensmitteltechnologie der TU München in Weihenstephan haben Studierende die Möglichkeit, ein Lebensmittel oder Getränk zu entwickeln und idealerweise bis zur Marktreife zu bringen. Das diesjährige Finale findet am 30. Oktober in Weihenstephan statt. Wir geben den Finalisten die Möglichkeit, sich selbst und ihr Produkt auf GradPlato vorzustellen. Heute: Team Herbert und ihr erfrischender Wasserkefir.
Die Zahlen sprechen für sich: Während der Pro-Kopf-Konsum von Bier bei den Deutschen zurückgeht, greifen immer mehr Konsumenten zu Biermischgetränken und alkoholfreien Erfrischungsgetränken. Der Absatz der Biermischgetränke allein hat sich in den letzten 20 Jahren verdreifacht, so die Statistiken. Diese Alternativen gehen jedoch meist mit einem hohen Zuckergehalt, künstlichen Aromen oder vielen Kalorien einher. Dass das nicht im Sinne des modernen, körperbewussten Bürgers des 21. Jahrhunderts ist, scheint offensichtlich.
Mit Blick auf aktuelle Ernährungsgewohnheiten und deren Entwicklung, haben sich zwei junge Freisinger deshalb zum Ziel gesetzt, ein neuartiges Getränk zu kreieren. Jedem, der gerne zum Radler oder zur Limo greift, soll bald schon eine neue Form der Erfrischung zur Auswahl stehen. Im Rahmen des Innovationswettbewerbs für Getränke und Lebensmittel (IGL) der TUM entwickelten Sabine Winkler und Sebastian Sirbu ihre Version einer Idee, die den Getränkemarkt ergänzen soll. „Herbert“ heißt das auf Wasserkefir basierende Getränk.
Wasserkefir – Was ist das?
Die ersten Belege für Wasserkefirkristalle, auch Japankristalle genannt, reichen bis ins Ende des 19. Jahrhunderts. Die Ursprünge der jetzigen Kefirkristalle sollen demnach auf Feigenkakteen gefunden worden sein. Nichtsdestotrotz scheint sich in Deutschland bis vor wenigen Jahren niemand für die kleinen Kristalle interessiert zu haben. Erst in den letzten Jahren erfreut sich der Wasserkefir wachsender Beliebtheit, was nicht zuletzt auch mit einem steigenden Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten und dem Wunsch nach alternativer Ernährung einhergeht.
Dennoch ist es so, dass vielen das Wort Kefir lediglich in Zusammenhang mit Milch unter dem Begriff Milchkefir geläufig ist – einem säuerlich schmeckenden Milcherzeugnis, dessen Konsistenz an Buttermilch erinnert. In der Tat sind sich Milchkefir und Wasserkefir recht ähnlich, da beide den Prozess der Fermentation, also die Umsetzung von Zucker durch Mikroorganismen, gemeinsam haben.
Bei beiden Kefirarten handelt es sich um eine Symbiose verschiedener Bakterien und Hefen, die über eine Matrix aus Polysacchariden, also Mehrfachzuckern, miteinander verbunden sind, um sich vor Umwelteinflüssen zu schützen und möglichst effektiv voneinander zu profitieren. Lediglich im Detail unterscheiden sich Milch- und Wasserkefir in der Zusammensetzung der Mikroorganismen.
Kein gewöhnliches Getränk
Mithilfe der Mikroorganismen in den Kristallen werden Zucker und andere Inhaltsstoffe auf natürliche Weise zu Milchsäure, Kohlensäure, Polysacchariden, Ethanol und wichtigen Vitaminen verstoffwechselt. Die Milchsäure und Polysaccharide wirken präbiotisch und die natürlichen Vitamine, allen voran die B-Vitamine, machen „Herbert“ zu einem ganz besonderen Getränk. Doch auch der Geschmack überzeugt: „ausgewogen und harmonisch“, „leichte, angenehme Säure“, „sehr erfrischend“ und „sehr lecker!“ urteilten einige Jurymitglieder des Innovationswettbewerbs der TUM im vergangenen Halbfinale. Dabei kommt Herbert komplett ohne Aromastoffe aus und wird ausschließlich aus natürlichen und biologischen Zutaten hergestellt. Aus den Zutaten Zitrone, Ingwer und Feige entsteht durch die Fermentation eine sehr facettenreiche, neue Geschmackskomposition. Spritzig, nicht zu süß und leicht herb – darum auch der Name „Herbert“.
Eine Wohltat in Flaschenform
Wasserkefirkulturen lassen sich heutzutage über das Internet bestellen oder auch in ausgewählten Läden kaufen. Somit kann Wasserkefir theoretisch jeder in den eigenen vier Wänden selbst herstellen. Es gilt jedoch zu beachten: „Den Kefirkristallen müssen immer genug Nährstoffe zur Verfügung stehen, um lebendig zu bleiben, die Dauer und der Erfolg des Fermentationsvorganges variiert je nach Inhaltsstoffen, Vitalität der Mikroorganismen und äußeren Einflüssen. Viele Menschen haben deshalb keine Geduld, Zeit oder Lust Zuhause selbst zu fermentieren“, sagen die beiden Studenten.
Gleichzeitig ist der Markt für trinkfertigen Wasserkefir bisher kaum ausgebaut. Während es in Teilen von Südamerika und Australien bereits einige wenige Unternehmen gibt, die fertigen Wasserkefir in Flaschenform vertreiben, sieht es in Deutschland mau aus. Daher haben es sich die beiden Studenten nun zur Aufgabe gemacht, die Idee des Wasserkefirs auch außerhalb des privaten Bereichs anzubieten.
Abgefüllter Wasserkefir
Der IGL bietet die idealen Voraussetzungen, um sich an die Entwicklung und Ausarbeitung eines neuen Produktes heranzutasten. In Workshops lernen die Studenten beispielsweise alles, was man über Lebensmittelrecht und Deklaration, die passende Gebindewahl, Preis- und Marketingstrategien wissen muss. Aber auch bei der Analytik des fertigen Produktes bekommen sie Unterstützung von den Lehrstühlen. Das Team ist sich einig: „Die größte Hürde stellte bisher das Scale-up dar. Zuhause konnten wir verschiedene Rezepturen in 1-Liter-Gläsern ausprobieren. Für das Halbfinale haben wir dann zum ersten Mal über 25 Liter des Wasserkefirgetränks in einem Gärbottich angesetzt. Wir konnten zu dem Zeitpunkt nicht einschätzen, wie sich die Fermentation in diesem Maßstab verhält.“
Geschmacklich scheinen die beiden Gründer allerdings den Nerv der Jury getroffen zu haben und können sich darüber freuen, dass die erste Hürde genommen und die Vorrunde des Innovationswettbewerbs der TUM geschafft ist.
Nun kann am Feinschliff in verschiedenen Bereichen gearbeitet werden. Hinsichtlich der Sensorik soll das Endprodukt noch mehr Spritzigkeit erhalten. Außerdem müssen die Parameter des Herstellungsprozesses genau analysiert werden, um den Fermentationsvorgang reproduzierbar und kontrollierbarer zu gestalten. Bis zum Finale können sich die beiden Gründer erneut beweisen und werden bis dahin noch fleißig fermentieren, analysieren und experimentieren.