Portraits


	
						
	
	

				
			
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Unser Autor Dr. Markus Fohr führt uns in diesem ersten von drei Beiträgen rund um das hölzerne Bierfass entlang des – wie er es nennt – "Holzweges" des Bieres. Der Weg zum Bier führte bis in die Neuzeit hinein über das Holz. Er war – wenn auch nicht im sprichwörtlichen Sinne – ein "Holzweg". Man braute und gärte in hölzernen Bottichen, reifte in hölzernen Fässern und reichte das fertige Bier in hölzernen Humpen zum Genuss. Im ersten Teil 1 erfahrt ihr, wie das hölzerne Bierfass entstand und welche Rolle es von der Antike bis zu den Seefahrten der großen Entdecker spielte.

Zunftsymbol der Brauer aus dem Jahr 1468: Bierschöpfer, Maischegabel und Bottich ... alles aus Holz gefertigt
Zunftsymbol der Brauer aus dem Jahr 1468: Bierschöpfer, Maischegabel und Bottich ... alles aus Holz gefertigt (Bildquelle: [2])

Die Sache mit den Holzaromen

Natürlich entwickelten die Brauer Techniken, wie z.B. das Auskleiden der Fässer mit Pech, um das Bier frei von Holzaromen zu halten, doch zur Gänze klappte dies nie. Das gelang erst mit dem Siegeszug des Edelstahls und der gläsernen Trinkgefäße. "Hurra!" – das moderne Bier war frei von Holzaromen. Und damit geriet das Holz dann doch auf den sprichwörtlichen Holzweg. Es verschwand – außer bei wenigen traditionellen Brauereien wie Rodenbach in Belgien – aus dem Blickfeld des Bieres und seiner Konsumenten.

Mit dem Anrollen der Craft Bier-Welle regte sich bei vielen Bier-Enthusiasten jedoch der Gedanke, dass diese einst verteufelten Holzaromen einem leckeren Bier sowohl interessante als auch sehr wohlschmeckende und vielfältige Noten verleihen könnten. Ein neuer "Holzweg" des Bieres begann.

 

Der Rohstoff Holz

Etwa sieben Prozent der Holzbestandteile sind extrahierbar und entwickeln damit das Aroma bei der Holzfasslagerung. Für die Lagerung im Holzfass ist Eichenholz prädestiniert, da es ohne Imprägnierung haltbar, sehr stabil und nahezu wasserdicht ist. Neben der Eiche kommen Akazie (Robinie), Esche, Edelkastanie und selten auch die Ulme im Fassbau zum Einsatz. Seines Aromas wegen kommt auch Kirschholz bei der Lagerung von Spirituosen vor, trotz seiner Wasserdurchlässigkeit.

Der Fassbau erfordert optimale Holzqualität. Der Schnitt muss im rechten Winkel zu den Jahresringen erfolgen, damit wasserdichte und haltbare Hölzer entstehen, die sich nicht verziehen. Weiter wird ein Bereich des Stammes von mindestens sechs Metern Länge ohne Äste benötigt, da das Holz von der Ansatzstelle des Astes nicht wasserdicht ist. Ein solches Holzwachstum benötigt viel Zeit. Bei der Akazie sind dies "nur" 40 bis 50 Jahre, bei der begehrten Eiche 200 bis 300 Jahre.

 

Entstehung des Holzfasses

Historisch betrachtet, existiert eine sehr lange Tradition, Getränke in Holzfässern aufzubewahren und zu transportieren. Die ersten Behälter aus Holz entstanden etwa 1000 v. Chr. und waren aus Stämmen geschnitzt. Aus Dauben zusammengesetzte Fässer gelten als Erfindung der Kelten um 300 v. Chr. Allerdings geht die erste schriftliche Erwähnung dieser Bauweise auf römische Quellen aus der Zeit von 50 v. Chr. zurück. Die kleinere Variante des Barriques mit 225 Litern Inhalt ist eine Erfindung des 15. Jahrhunderts. Ihre Entstehung ist originär mit den Schiffsreisen während des Entdeckerzeitalters verknüpft. Die Seefahrer forderten eine Größe, die es erlaubte, die Behälter mit "Manneskraft" zu bewegen. Auch andere Quellen belegen: Schon die Römer nutzten Holzfässer zur Trinkwasserversorgung an Bord von Schiffen.

Der Historiker Schadewaldt sieht die Thematik "Alkohol an Bord" als ein uraltes Problem der Seefahrt an. Seinen Ausführungen nach spielte das Bier seit den Zeiten der Babylonier an Bord von Flussschiffen oder bei den Phöniziern auch von Seeschiffen eine besondere Rolle, denn die Flüssigkeitsversorgung war stets eine Crux der Seefahrt. Schadewaldt lieferte auch den Untertitel dieses Artikelbeitrags. Er erwähnt den verzweifelten Ruf eines Seemannes in einem heute weitgehend vergessenen englischen Epos von Samuel Taylor Coleridge aus dem Jahre 1798: "Water, water everywhere, but nor a drop to drink" wurde bei den langen Trips der Entdeckungsreisen in der Tat zu einem Verzweiflungsruf vieler Seeleute. Zu Deutsch bedeutet er: "Wasser, Wasser überall, aber nicht ein Tropfen zu trinken".

 

Die Hanse und das Bier

Der Historikerin Christine von Blanckenburg zufolge exportierte die Hansestadt Bremen schon im 13. Jahrhundert auf dem Seeweg Bier in Fässern nach Bergen in Norwegen, vor allem aber entlang der Nordseeküste nach Friesland, Holland und Flandern. Im 14. Jahrhundert begann der Aufstieg Hamburgs, das seit dem 15. Jahrhundert als "Brauhaus der Hanse" galt. Zunächst gelangte das Bier als Schiffsproviant ins Ausland. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts stieg dann die Nachfrage nach Hopfenbier in den Empfängerländern, gleichzeitig sorgte die Agrarkonjunktur dafür, dass die Rohstoffe zur Bierherstellung für die Hansestädte einfacher und preiswerter zu beschaffen waren. Die Kaufleute nutzten diese günstige Situation und weiteten die Bierproduktion, die bis dahin nur der Selbstversorgung gedient hatte, stark aus.

 

Hansekogge und Hansewappen
Hansekogge und Hansewappen (Bildquelle: [10])

 

Auch die Lage an der Elbe und der Hafen im Binnenland kamen den Bierbrauern entgegen, die große Mengen an Getreide und Holz benötigten. Neben Brennholz gab es einen hohen Bedarf an Holz für die Bierfässer. Rund hundert Böttcher bauten in Hamburg etwa 145 000 Fässer jährlich. Große Bierschiffe konnten bis zu 700 Fässer laden. Wegen des hohen Holzbedarfs für Schiffe, Häuser, Feuerholz und vor allem aber auch Fässer entstand im Mittelalter die Lüneburger Heide. Den dortigen Wald holzten die Hamburger schlicht ab.

 

Seefahrten der Entdecker im 15.-18. Jahrhundert

Nicht zuletzt Hollywoodstreifen vermitteln eine romantische Verklärung der manchmal jahrelangen Entdeckerreisen und der dabei auftretenden Herausforderungen. Die Wahrheit liefert ein anderes Bild. In diesem Bild stellt die Mitnahme von Wein, Bier und konzentrierten Alkoholika nichts anderes dar als den Versuch, die oft katastrophale Süßwasserversorgung auf langen Seereisen zu verbessern und damit Krankheit und Tod zu verhindern.

In England galt Bier als fester Bestandteil der Ernährung von Seeleuten. König Henry VII. ließ in Portsmouth 1492 eine eigene Brauerei errichten, um seine Schiffe mit Bier zu versorgen. Das Bier spielte insbesondere als Waffe im Kampf gegen den Skorbut eine Rolle. Dieser Kampf war möglicherweise der härteste, den die britische Marine im Laufe ihrer langen Tradition auszufechten hatte. Im 18. Jahrhundert starben mehr britische Seefahrer durch den Skorbut als durch die während dieser Zeit quasi permanenten Kampfhandlungen.

 

Bevorratung und Rationierung

Der Einschätzung der Lage entsprechend führten die Speiserollen jener Zeit oft doppelt so viel Bier- oder Weinmengen wie Süßwasser auf. Und die Mengen, die Entdeckungsreisende mitführen mussten, waren zweifelsohne groß. 260 Mann Besatzung zählte etwa die Flotte von Fernão de Magelhães (Ferdinand Magellan, um 1480-1521) auf seiner Weltumrundung. Auf einem französischen Kriegsschiff fuhr 1637 eine Besatzung von 666 Mann mit. Hier galt die realistische wie makabre Tatsache, dass man von Beginn an den Verlust eines Drittels der Besatzung durch Tod während der Reise einkalkulierte. Doch auch der umfangreichste Vorrat erschöpft sich mit der Zeit. So kam es im Laufe einer langen Reise durchaus zur Kürzung der Bierrationen. War der Vorrat vollständig verbraucht, griff man wieder auf Süßwasser zurück.

 

Verladen hölzener Bierfässer im Hafen (Bildquelle: [12])
Verladen hölzener Bierfässer im Hafen (Bildquelle: [12])

 

Der deutsche Beamte Wurfbain berichtete während seiner Überfahrt mit einem Schiff der Ostindischen Compagnie nach Ostasien im Jahre 1632, dass der Kapitän in den ersten drei Monaten der Reise nur Bier, aber kein Trinkwasser ausgeben ließ. Vom vierten Monat an gab es gar kein Bier, sondern nur noch Trinkwasser von sehr geringer Qualität. So ist es allzu verständlich, dass sich Wurfbain, bevor er 1646 wieder nach Europa zurückreiste, in Batavia mit einem großen Branntweinvorrat eingedeckt hatte.

 

King’s Allowance, Grog und Flip

So mancher Begriff, den wir heute noch kennen, nahm auf den Seereisen der Entdecker seinen Anfang. So führten diese oft in unwirtliche, kalte und nasse Gegenden – und das ohne jegliche Heizung an Bord. Alkoholika in Form von Bier, Branntwein, Rum oder Wein spielten eine entscheidende Rolle, um die Besatzung zu wärmen. Noch in der Seefahrt bekannt ist der Ruf "Besanschot an". Er rief die gesamte Besatzung an den Besanmast, wo der Kapitän einen Schnaps als Belohnung für das Reffen von Segeln in rauen Winden ausschenkte. Selbst dem jüngsten Schiffsjungen stand eine entsprechende Menge Alkohol zu, die dieser aber meist gegen Lebensmittel an einen älteren Matrosen verkaufte. Um die zwangsläufig aufkommende Trunksucht einzudämmen, ließ ab 1740 der englische Admiral Edward Verkon die offizielle Rumration, die sogenannte "King’s Allowance", die es bis ins späte 20. Jahrhundert bei der britischen Marine offiziell gab, mit der dreifachen Mengen Wasser vermischen und diesem Getränk außerdem Zucker zusetzen. Da der Admiral, der wegen dieser Maßnahme wenig beliebt war, ständig einen groben Rock, den sogenannten "grogram" trug, erhielt das Getränk den Spitznamen "Grog". Es erfreut sich heute größerer Beliebtheit als zur Zeit seines Erfinders.

Auch ein zweites, in modernen Bars allerdings in anderer Zusammensetzung bekanntes Mischgetränk geht auf die Marine zurück: der sogenannte "Flip", eine Mischung von Rum in Dünnbier. Der Name rührt davon her, dass man nach dem Genuss mehrerer Gläser glaubte, über den Hauptmast fliegen zu können. Von diesem Dünnbier standen in günstigen Versorgungszeiten der Besatzung täglich 4-5 Liter zur Verfügung. Die Franzosen tranken dafür lieber bis zu einem Liter Wein pro Tag.

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung eines Artikels aus BRAUWELT Nr. 28/29, 2020, S. 763-766. Der zweite Teil der Trilogie "Das hölzerne Bierfass" wird sich dem Kampf gegen den Skorbut, dem Seefahrer James Cook und dem Spruce Beer widmen.

 

Quellen

  1. N. N.: "Auf dem Holzweg sein", https://www.sprichwoerter-redewendungen.de/redewendungen/auf-dem-holzweg-sein (abgerufen am 9.4.2020).
  2. Meussdoerfer, F.; Meussdoerfer, R.: "Flüssiges Brot", Damals. Das Magazin für Geschichte 48 (2016) Nr. 4, S. 16-21.
  3. Kiesbye, A.; Luckart, J.: Holzfasslagerung, Seminar der Axel Kiesbye GmbH, Obertrum bei Salzburg, 14.-15. Januar 2015.
  4. Eder, M.: "Aromabildung bei der Reifung im Holzfass", BRAUWELT Nr. 40-41, 2018, S. 1181-1183.
  5. Zangrando, T.: "Das Pichen in der Brauerei: Einige Erinnerungen aus früheren Zeiten", Gesellschaft für Geschichte des Brauwesens e.V. (Hrsg.), Jahrbuch 2019, Westkreuz Druckerei, Berlin, S 11-36.
  6. N. N.: "Tradition der Fassherstellung: Wo ein Fass, da auch ein Böttcher", https://www.handwerk-magazin.de/tradition-der-fassherstellung-wo-ein-fass-da-auch-ein-boettcher/150/425/32036 (abgerufen am 25.2.2020).
  7. https://www.mittelalter-lexikon.de/wiki/Fass (abgerufen am 23.2.2020).
  8. Schadewaldt, H.: "Das Bier und die Schiffahrt", https://www.koelner-brauerei-verband.de/historie/historie/das-bier-und-die-schiffahrt.html (abgerufen am 25.2.2020).
  9. Blanckenburg, C.: Die Erfindung des "Export"-Biers, Damals. Das Magazin für Geschichte 48 (2016) Nr. 4, S. 24-27.
  10. Glöckler: Der Hopfenbau und die Bierbrauerei in Mecklenburg in früherer Zeit. Band 6. - 4. Der Bierhandel der mecklenburgischen Seestädte im Mittelalter, http://www.lexikus.de/bibliothek/Der-Hopfenbau-und-die-Bierbrauerei-in-Mecklenburg-in-frueherer-Zeit-Band-6-4-Der-Bierhandel-der (abgerufen am 25.2.2020).
  11. Grund, S.: "Als 1000 Liter Bier pro Kopf völlig normal waren", https://www.welt.de/regionales/hamburg/article157954333/Als-1000-Liter-Bier-pro-Kopf-voellig-normal-waren.html (abgerufen am 23.2.2020).
  12. Schadewaldt, H.: "Das Bier und die Schiffahrt", https://www.koelner-brauerei-verband.de/historie/historie/das-bier-und-die-schiffahrt.html (abgerufen am 25.2.2020).
  13. Stubbs, B. J.: "Captain Cook's beer: The antiscorbutic use of malt and beer in late 18th century sea voyages", Asia Pacific Journal of Clinical Nutrition Nr. 12, 2003, S. 129-137.