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Ein großer technologischer Vorteil von Bier ist, dass es kaum „schlecht“ im Sinne von ungenießbar werden kann. Allerdings stellte Dr. Michael Zepf von der Doemens Akademie im ersten Teil dieser Artikelserie klar, dass Bier eben ab dem Zeitpunkt der Abfüllung altert und an Frische verliert. Und dass sich der Alterungsgeschmack sensorisch durchaus bemerkbar macht, vor allem bei anfälligen Bierstilen wie Hellem oder kaltgehopften Bieren wie IPAs. In diesem zweiten Teil zeigt Dr. Zepf mögliche Auswege aus dem Dilemma auf.

Was hat sich seit der Einführung des MHD geändert? Durch die Möglichkeit einer konsequenten Stufenkontrolle in Bezug auf Sauerstoffaufnahme ab der Filtration und der Verbesserung der Abfülltechnik konnte der Sauerstoff im abgefüllten Bier (im Flaschenhals und gelöst) deutlich reduziert werden. Aber es ist nicht gelungen (und wird nie gelingen), den Sauerstoff komplett zu eliminieren. Darüber hinaus hat sich das Umfeld des Bierverkaufs grundlegend verändert:

  • Die MHD-Fristen haben sich nach und nach verlängert;
  • die Distributionswege haben sich verlängert;
  • die Lagerungsbedingungen für abgefülltes Bier haben sich nicht verbessert;
  • die Verbraucher haben den Frische-Gedanken beim Bier verloren;
  • Bier wird in der Aktion gehamstert;
  • der Verbraucher weiß nichts über die Sensibilität des Bieres.

 

Auf Wand gemalte Schrift
Wenn der Konsument altes Bier trinken muss, fehlt möglicherweise der Impuls für ein weiteres Bier (Foto: Samuel Regan Asante auf Unsplash)

 

Rückgang des Bierkonsums

Interessanterweise treten in der Praxis nie Reklamationen bezüglich eines Alterungsgeschmackes auf. Dies ist aber nur eine trügerische Sicherheit, denn der Verbraucher erkennt zwar den Alterungsgeschmack als solchen nicht, aber der Verlust der Frische beim Bier führt dazu, dass der Impuls für ein weiteres Bier fehlt.

Wird daher auf ein zweites oder drittes Bier verzichtet, führt dies in der Summe zu einem enormen Rückgang im Konsum. Das Ganze geschieht ohne Reklamation und daher völlig unbemerkt. Darin könnte auch einer der vielen Gründe liegen, dass der Pro-Kopf-Bierkonsum im Zeitraum seit Einführung des MHD von 143 l/a auf heute 95 l/a zurückgegangen ist.

Dass sich die Brauereien dieser Problematik sehr wohl bewusst sind, zeigt die Tatsache, dass sie das MHD für Fassbier meist kürzer ansetzen als das der Flaschenware. Warum? Und das, obwohl Fässer häufiger kühl gelagert werden als Flaschen!

 

Ist es an der Zeit umzudenken?

Ein „weiter so“ nach Vogel-Strauß-Taktik würde zu einer weiteren Verlängerung des MHD der Flaschenbiere und damit zu einer Reduzierung der Qualität anfälliger Bierstile führen und einen weiteren Sargnagel für den Bierkonsum bedeuten. Aber es gibt durch folgende Maßnahmen Auswege aus dem aktuellen Dilemma:

  • Die Hefe als ein Schlüssel für eine verbesserte Flavour-Stabilität;
  • Einführung eines Flavour-Stabilität-Qualitätsmanagements;
  • eine langfristige Änderung des Verbraucherbewusstseins und -verhaltens.

 

Hefe in Rohrleitung mit Schauglas
Aktive Hefe in der Bierflasche bringt enormes Reduktionspotential mit und beeinflusst damit die Alterungsstabilität positiv

 

Die Hefe als Schlüssel

Viele Faktoren, die die Flavour-Stabilität eines Bieres beeinflussen, hängen mit der Hefe zusammen. So kann der Brauer durch ein verbessertes und geeignetes Hefemanagement sowohl das Potential der Autolyse-Neigung der Hefe als auch den End-pH-Wert des Bieres positiv beeinflussen und damit die Alterungsstabilität deutlich erhöhen. Des Weiteren lässt sich durch die Auswahl des Hefestamms und durch geeignete Gärführung der Sulfit-Gehalt und damit das antioxidative Potential erhöhen.

Als „unschlagbarer“ Joker gegen die Alterung durch Oxidationsreaktionen ist die lebende Hefe zu sehen, denn durch die reduzierende Kraft der Hefe werden Alterungscarbonyle in die korrespondierenden Alkohole reduziert. Die Alkohole haben im Gegensatz zu den Alterungscarbonylen eine deutlich höhere Wahrnehmungsschwelle.

Bereits 2010 konnte ein Forscherteam aus Belgien zeigen, dass Alterungsnoten in gealterten Bieren nachträglich auch durch extrem niedrige Gehalte an zugegebener Hefe reduziert werden können. Dies konnte sowohl analytisch als auch sensorisch belegt werden. Diese Erkenntnisse führten bereits dazu, dass international einige (Groß-)Brauereien gezielt sehr niedrige Hefezellzahlen nach der Filtration als Schutz gegen Oxidation dosieren.

 

Flavour-Stabilität-Qualitätsmanagement

Ein Qualitätsmanagementsystem im Hinblick auf Alterungsstabilität kann sowohl intern als auch mit externer Hilfe erarbeitet werden. Es umfasst alle Bereiche der Bierbereitung von der Sudhausarbeit über das Hefemanagement und die Gärungs- und Reifungstechnologie sowie die besonders kritischen Bereiche der Filtration, den Drucktank, bis hin zum Füllvorgang und die Hochdruckeinspritzung (HDE).

Das Qualitätsmanagement muss neben den analytischen Ergebnissen durch standardisierte und kontinuierliche Vergleichsverkostungen der frischen und definiert gelagerten Biere begleitet werden. Diese Verkostungen sollten mit einem geschulten internen Verkoster-Panel erfolgen oder extern vergeben werden. Typisch hierzu sind Vergleichsverkostungen der frisch abgefüllten Biere im Vergleich zu ein, zwei und drei Monaten Lagerzeit bei 20 °C.

Die Verkostungsergebnisse führen zu einer Bierstil-abhängigen Flavour-Stabilität und sollten langfristig auch zu einer realistischen Einschätzung des MHD-Zeitraums führen. Es ist hierbei auch über unterschiedliche MHD-Fristen für unterschiedliche Bierstile nachzudenken.

 

Änderung des Verbraucherbewusstseins

Die aktuelle Situation ist davon bestimmt, dass der Handel verständlicherweise ein großes Interesse an möglichst langen MHD-Fristen hat und es selbstständig niemals zu einer Verkürzung des MHD kommen würde. Die Lagerungsbedingungen im Handel sind geprägt von deutlich zu hohen Temperaturen, die im Sommer auch deutlich über 20 °C ansteigen können.

Es sei hierbei darüber nachzudenken, dass selbst Bekleidungsgeschäfte über eine Klimaanlage verfügen, nicht aber die großen Biermärkte. Von selbst wird sich an dieser Situation nichts ändern, da der Handel sonst auf den Kosten der Klimatisierung oder Kühlung hängen bleiben würde.

Bier ist aber ein sensibles Lebensmittel, das kühl und dunkel gelagert werden muss!

 

Junge Menschen stoßen im Biergarten mit einem Glas Bier an (Fred Moon auf Unsplash)
Das beste Bier? Ein frisches Bier! (Foto: Fred Moon auf Unsplash)

 

„Frischebewusstsein“ beim Verbraucher verankern

Von Seiten der Verbraucher stehen aktuell ebenfalls die Zeichen gegen Bierqualität in Bezug auf die Alterung: Es wird Bier überwiegend in der Aktion gekauft oder auch „gehamstert“ und danach (ebenso wie im Handel) zu Hause eher warm gelagert.

Bei vielen Lebensmitteln hat der Verbraucher dagegen eine Auswahlmöglichkeit verschiedener Frischestufen:

  • Milch (Rohmilch, Vorzugsmilch, Frischmilch, ESL-Milch und H-Milch);
  • Fisch (frisch auf Eis, TK oder Dose);
  • Fleisch (frisch oder TK oder Konserve);
  • Saft (Frischsaft aus der Kühltheke, Direktsaft).

Die Preisunterschiede sind zum Teil erheblich, und dennoch werden alle Frischestufen vom Verbraucher angenommen. Der Verbraucher evaluiert TK-Fisch oder H-Milch nicht als qualitativ minderwertig, und dennoch ist das Bewusstsein für Frische bei obigen Lebensmitteln sehr stark ausgeprägt.

Bei Bier sind unterschiedliche Frischestufen aktuell nicht verfügbar, und es besteht dadurch kein ausgeprägter Frischegedanke beim Verbraucher.

 

Angebot an „frischem Bier“ schaffen

Von Seiten der Brauereien könnte frisches Flaschenbier in eigenen „Bierfachgeschäften“ angeboten werden. Mögliche „Frische“-Eckpunkte für diese Bierfachgeschäfte könnten sein:

  • Bier in einer geschlossenen Kühlkette nach der Abfüllung;
  • maximal bis 14 Tage nach der Abfüllung;
  • ein deutlich höherer Preis im Vergleich zum handelsüblichen.

Aufgrund des Preisunterschiedes ergäbe sich keine Konkurrenz zum Handel, und nach Ablauf der 14 Tage könnte das Bier ganz regulär an den Handel abgegeben werden. Allein durch ein mögliches Angebot an „frischem Bier“ entsteht eine Sensibilisierung der Konsumenten und auch die Möglichkeit der Änderung des Bewusstseins. Langfristig könnte dies auch zu weniger Aktionskäufen führen. Bei einem Erfolg des Konzeptes könnte dies eventuell auch ein Umdenken des Handels erwirken.