Fragt man Hobbybrauer nach der Analytik für die im heimischen Braukessel hergestellten Biere, so kommt als Antwort meistens die Bierspindel. Im Grunde genommen ist die korrekte Handhabung dieses Messgerätes ganz einfach, trotzdem sind einige Details zu beachten. Aus den Messwerten (Stammwürze und scheinbarer Extrakt) lässt sich dann mittels überschlagsmäßigen Berechnungen ein Überblick über die wichtigsten analytischen Parameter des Bieres ermitteln. Alexander Rokweiler erklärt uns die Hintergründe zur Handhabung des Aräometers.
Die umgangssprachlich als „Bierspindel“ bezeichneten Messgeräte werden korrekterweise als Aräometer (engl. Areometer bzw. Hydrometer) bezeichnet, ältere Bezeichnungen lauten auch Senkwaagen oder Skalenaräometer. Generell dienen diese zur Bestimmung der Konzentration von gelösten Stoffen, basierend auf der Dichte der zu untersuchenden Lösung.
Die Grundlage hierfür ist das sog. „Archimedische Prinzip“: Die Auftriebskraft, die ein in einer Flüssigkeit eingetauchter Körper erfährt, ist genauso groß wie die Gewichtskraft des von ihm verdrängten Wassers. Das Aräometer taucht also soweit in die zu untersuchende Lösung ein, bis sich die Auftriebskraft durch verdrängtes Lösungsvolumen und die Gewichtskraft des Aräometers das Gleichgewicht halten.
Ein Aräometer besteht aus einem mit Blei beschwertem Schwimmkörper mit einem darüber angebrachten graduierten Stiel. Die Instrumente sollten ein in den Schwimmkörper eingebautes Thermometer besitzen, über dessen angezeigte Temperatur eine Korrekturtabelle verbunden ist. Dies ist aus physikalischer Sicht deshalb notwendig, da die Dichte einer Flüssigkeit temperaturabhängig ist.
Weil die Eintauchtiefe des Aräometers von der Dichte der Untersuchungslösung abhängig ist, sollte ein Instrument mit passender Skala gewählt werden, weil sonst eine sinnvolle Ablesung nicht möglich ist. Je geringer die Dichte der Untersuchungslösung, desto tiefer taucht die gläserne Spindel ein. Auf dem graduierten Stiel lässt sich dann die Dichte bzw. der jeweilige Messwert ablesen. Die Genauigkeit einer Spindel wird in erster Linie von dem Volumenverhältnis des Stieles zu seinem Schwimmkörper bestimmt. Je kleiner das Volumen (bzw. der Durchmesser) des Stiels in Verhältnis zu seinem Schwimmkörper ist, desto höher die Genauigkeit des Aräometers. Messgeräte mit einem dünneren Stiel weisen dementsprechend auch einen engeren Messbereich auf. Für die Anwendung im Brauereibereich ist diese Skalierung vereinfachender Weise auf die üblicherweise verwendeten Gewichtsprozent (g/100 g, Grad Plato) angegeben, in diesem Fall wird das Aräometer auch als Saccharometer bezeichnet [2].
Entmystifizierung, oder: Die Handhabung von Aräometern
Das Aräometer muss vor der Verwendung gereinigt werden, da andernfalls Messfehler entstehen können, Fettreste auf der Oberfläche z.B. beeinflussen das Benetzungsverhalten (die Oberflächenspannung, dazu gleich mehr) und erschweren das Ablesen.
Jede Spindel weist einen über die Korrekturtabelle vorgegebenen Temperaturbereich auf, daher muss die Untersuchungslösung entsprechend temperiert werden.
Der verwendete Spindelzylinder muss exakt senkrecht ausgerichtet sein, da jegliche Berührung des Aräometers mit der Innenwandung des Spindelzylinders zu fehlerhaften Ergebnissen führt. Hierbei empfiehlt sich die Verwendung einer sog. Kardanischen Aufhängung.
Die zu untersuchende Lösung muss frei von jeglichen Gasblasen sein, daher ist eine entsprechende Probenmenge Bier vorher zu entkohlensäuern. Andernfalls verfälschen diese Gasbläschen das Auftriebsverhalten und damit das Ergebnis.
Der Spindelzylinder sollte vor Verwendung mit einer geringen Menge Untersuchungslösung vorgespült werden, um darin befindliche Wasser- oder Reste anderer Untersuchungslösungen zu entfernen. In der Regel reichen zur Befüllung ¾ des Spindelzylindervolumens aus, da das restliche Volumen durch das Aräometer verdrängt wird. Im Falle von Untersuchungslösungen, welche zu schäumenden Verhalten neigen wie z.B. Würze oder entkohlensäuertes Bier, empfiehlt es sich hingegen, den Spindelzylindern vollständig zu befüllen, um auf der Oberfläche befindliche Schaumreste vor Einbringung des Aräometers durch „Überfüllen“ zu entfernen. Die Oberfläche muss anschließend blank und frei von Partikeln sein.
Vor der Verwendung des Aräometers empfiehlt es sich, die aufgebrachten Beschriftungen genau zu lesen um sich bereits im Vorfeld der Messung grundlegende Informationen zu den Themen „Meniskus Ablesung oben oder unten“, „Korrekturtabelle“ und „Einteilung der Skalierung bzgl. Messwert, Temperatur und Korrekturwerten“ zu erhalten. Nicht jedes Aräometer ist diesbezüglich gleich, im Handel bzw. in der betrieblichen Praxis können u.U. Saccharometer aufgrund der Thematik „Genauigkeit/Volumenverhältnis Stiel zu Spindelkörper“ unterschiedliche Angaben aufweisen.
Die Art der Ablesung ist ohne die explizite Angabe „Ablesung oben“ immer am unteren Meniskus durchzuführen. Daher sei dem Praktiker empfohlen, beim Erwerb seines Aräometers auf die Beschriftung „Ablesung oben“ zu achten, damit vereinfacht sich die Ablesung wesentlich. Es sei aber an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass damit nicht die Genauigkeit eines Laborpräzisions-Aräometers erreicht werden kann. Da wir uns in diesem Artikel allerdings in erster Linie auf die praktische Anwendung für Klein-, Craft- und Hobbybrauer beziehen, ist dieser Umstand zu vernachlässigen. Darüber hinaus verfügt nicht jeder Brauer über einen gläsernen bzw. durchsichtigen Spindelzylinder (insbesondere wegen der möglicherweise vorhandenen Kühleinrichtung), wodurch hierbei die Verwendung eines Aräometers ohne die Aufschrift „Ablesung oben“ von vorneherein einen verfälschten Ablesewert ergeben wird.
Beim Einbringen des Aräometers in den gefüllten Spindelzylinder darf dieses nicht zu weit über dem Gleichgewicht zwischen Gewichts- und Auftriebskraft hin und her pendeln, da eine übermäßige Benetzung oberhalb des sich so einstellenden Meniskus wiederum zu einer verfälschten Eintauchtiefe führt. Dieser Umstand wird bei Aräometern mit besonders dünnen Stielen insofern noch erschwert, als dass diese nur am Körper angefasst werden sollten um ein Abbrechen des Stieles zu vermeiden.
Vor der Ablesung an der Skalierung des Stieles muss 2 bis 3 Minuten gewartet werden, da es sich bei den Untersuchungslösungen Würze bzw. Bier um sog. kolloide oberflächenaktive Flüssigkeiten handelt. Um nun die Frage zu klären, warum dies so ist, müssen wir uns kurz mit der Thematik Oberflächenspannung und der damit verbundenen Meniskusausbildung befassen: Je höher die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit ist, desto größer ist der Meniskus. Die in unserer Untersuchungslösung enthaltenen oberflächenaktiven Stoffe wie z.B. Hopfenharze, Alkohole, Einweißstoffe etc. verringern die Oberflächenspannung. Nach dem Befüllen des Spindelzylinders reichern sich diese Substanzen recht schnell an der Oberfläche der Untersuchungslösung an, so dass hinsichtlich der Oberflächenspannung ein „statischer Zustand“ erreicht ist. Beim Einbringen des Aräometers in den gefüllten Spindelzylinder werden diese Substanzen wieder weitgehend innerhalb der Untersuchungslösung verteilt, wodurch ein „dynamischer Zustand“ erreicht wird. Innerhalb der folgenden 2 bis 3 Minuten reichern sich diese oberflächenaktiven Stoffe dann wieder an der Oberfläche an. Unter der physikalischen Berücksichtigung, dass ein Aräometer geringfügig tiefer eintaucht, je höher die Oberflächenspannung ist, wird klar warum nun die Spindel wieder etwas steigt: Der Übergang vom „dynamischen“ Zustand (= höhere Oberflächenspannung) in den „statischen“ Zustand (= geringere Oberflächenspannung) führt zu einem leichten Ansteigen des Aräometers. Dieses Phänomen wird bereits bei der Gradierung von Aräometern für Bier- bzw. Würze (bzw. bei Saccharometern) berücksichtigt, wodurch diese Zeit abgewartet werden muss [2].
Von dem auf dem Stiel des Aräometers abgelesene Messwert muss nun noch aufgrund der bereits erwähnten Temperaturabhängigkeit der jedem Aräometer zugrunde liegenden Dichte eine entsprechende Korrektur gemäß der Aräometer Korrekturtabelle vorgenommen werden.
Berechnung des Alkoholgehaltes
Aus den ermittelten Messwerten p (Stammwürze, vor der Gärung) und Es (Scheinbarer Extrakt, am Ende der Gärung gemessen) lassen sich nun für einen Hobbybrauer hinreichend genau die nachfolgenden Werte rechnerisch ermitteln: Grundlage: die Balling'sche Attenuationslehre. Der Begriff „Attenuation“ stammt ursprünglich aus dem lateinischen Wort „attenuare“, gleichbedeutend mit „verdünnen“. Woher kommt nun diese „Verdünnung“? Zum einen werden im Zuge des Gärvorganges die Inhaltsstoffe der Würze zu Ethanol, CO2 und Wasser unter Energiegewinnung (Wärme) abgebaut. Damit erfährt die Würze eine Verringerung der Dichte, zum einen durch die erwähnten Stoffumsetzungen und zum anderen durch die Tatsache, dass es sich bei dem dabei entstehenden Ethanol um ein Lösungsmittel handelt. Jeglicher Anteil an Lösungsmittel verringert die Dichte der Untersuchungslösung zusätzlich. Aus diesem Grund wird der Extraktgehalt von gärender Würze/vergorenem Bier mit dem Index „s“ angegeben. Möchte man nun den „wahren“ Extraktgehalt eines Bieres bzw. dessen Alkoholgehalt ermitteln, so stehen dazu dem Analytiker im Laborbereich verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung. Jede dieser Möglichkeiten wie Destillationsanalyse, Refraktionsanalyse oder NIR-Technologie (z.B. Alcolyzer, Firma AntonPaar) ist für einen Hobbybrauer nicht so einfach anwendbar. Sowohl Aufwand als auch die entsprechenden Anschaffungskosten stehen dabei für ihn in keinerlei Verhältnis.
Welche Möglichkeit bleibt ihm dann noch? Dazu lässt sich eine Berechnungsmöglichkeit aus der mittels Saccharometer bestimmten „Stammwürze“ (Extraktgehalt vor der Gärung) und dem „Scheinbaren Extrakt“ (Extraktgehalt des fertigen Bieres) anwenden.
Hinweis: Die hier vorgestellte rechnerische Ermittlung des Alkoholgehaltes von endvergorenem Bier darf aufgrund der fehlenden Genauigkeit nicht als Grundlage für rechtlich verbindliche Angaben (z.B. auf dem Etikett) verwendet werden.
- p = Stammwürze, vor der Gärung (GG%, Gewichtsprozent)
- Es = Scheinbarer Extrakt, endvergoren (GG%, Gewichtsprozent)
- a = Alkoholfaktor a (nur gültig innerhalb Stw.-Bereich 1 bis 30 GG%)
- A = Alkoholgehalt (GG%, Gewichtsprozent)
Alkoholgehalt A [GG%] = (p – Es) x a
Ermittlung des Alkoholfaktors a
Stammwürze p | Alkoholfaktor a | Stammwürze p | Alkoholfaktor a | Stammwürze p | Alkoholfaktor a |
1 | 0,3983 | 11 | 0,4167 | 21 | 0,4373 |
2 | 0,4001 | 12 | 0,4187 | 22 | 0,4395 |
3 | 0,4018 | 13 | 0,4206 | 23 | 0,4417 |
4 | 0,4036 | 14 | 0,4226 | 24 | 0,4439 |
5 | 0,4054 | 15 | 0,4246 | 25 | 0,4462 |
6 | 0,4073 | 16 | 0,4267 | 26 | 0,4485 |
7 | 0,4091 | 17 | 0,4288 | 27 | 0,4508 |
8 | 0,411 | 18 | 0,4309 | 28 | 0,4532 |
9 | 0,4129 | 19 | 0,433 | 29 | 0,4556 |
10 | 0,4148 | 20 | 0,4351 | 30 | 0,458 |
Berechnungsformel für den Alkoholfaktor a (1 bis 10 °P) | Berechnungsformel für den Alkoholfaktor a (10 bis 20 °P) | Berechnungsformel für den Alkoholfaktor a (20 bis 30 °P) | |||
a = 0,00001*p2+0,00172*p+0,3966 | a = 0,0000155*p2+0,001611*p+0,397 | a = 0,0023*p+0,3889 |
Literatur
- Pawlowski/Schild: Die Brautechnischen Untersuchungsmethoden, 8. Auflage, 1972.
- Jean De Clerck: Lehrbuch der Brauerei – Band 2, 2. Auflage, 1965.