Ist das Thema Frau in der Bierbranche bzw. als Brauerin überhaupt so relevant, um diskutiert zu werden? Wird man als Frau in einem typischen Männerberuf wirklich anders behandelt? Diese Frage hat Candy Sierks zwölf Frauen in der Bierbranche gestellt. Wir fassen die Antworten zusammen.
„Dieses Thema wird meiner Meinung nach zu breitgetreten. Ursprünglich brauten Frauen zu Hause am Ofen Bier, darum ist es eigentlich nur logisch, dass Frauen jetzt wieder mehr in Berufen in der Braubranche tätig sind“ Ihre Erfahrung: „Hat man sich den Respekt erst mal erarbeitet – was manchmal wirklich Zähne zusammenbeißen heißt –, wird man sehr schnell geschätzt und auch unterstützt!“ Diplom-Braumeisterin Tanja Leidgschwendner, Braumeisterin und Biersommelière bei der Brauerei im Eiswerk von Paulaner
„Als Quereinsteigerin und bislang ‚nur‘ Gypsybrauerin bin ich frei darin, mir das Umfeld zu wählen, das mir gefällt. In der Freiburger Craft BrauerInnen-Szene fühle ich mich sehr wohl und von den männlichen Kollegen auf Augenhöhe behandelt. Vielleicht auch deshalb, weil ich nicht die einzige Frau bin. Es gibt noch Elke Manz und Anja Blum von Malt&Hops, dann noch die Biersommelière Andrea Seeger mit ihrer Craft Beer Lodge. Und ich habe den Eindruck, die Männer sind froh, dass sie nicht immer nur unter sich sind. Do what you want and fuck the rest. Oder: Such dir die Männer, die eine frauenausschließende Kraftmeierei auch nicht mögen – die gibt es überall.“ Almut Emma Zinn, Brauerin der Emma-Biere ohne Bart
„Meiner Meinung nach sollte das nicht diskutiert werden, denn im Mittelalter war Bierbrauen Frauensache und das sollte uns allen wieder bewusster werden. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Auch die Männer mussten mal klein anfangen. Und ich habe immer noch guten Kontakt zu ehemaligen Kollegen und Klassenkameraden. Bier verbindet, egal, ob männlich oder weiblich. Jeder, der seinen Beruf liebt, wird auch ernst genommen.“ Jana Neubert, Brauerin und Mälzerin, derzeit Schülerin bei der Doemens Academy, zur Frage, ob Frau im Männerberuf Brauer anders behandelt wird.
„Bierbrauen ist eigentlich gar kein Männerberuf. Die wenigsten Biertrinker wissen, dass fast 700 Jahre lang – bis ins tiefe Mittelalter – das Brauhandwerk ausschließlich von Frauen betrieben wurde und die Arbeit am Sudkessel zur ganz normalen Hausarbeit gehörte. Bei den Babyloniern gab es sogar einschlägige Hymnen an die Biergöttin Ninkasi. Jetzt erleben Frauen am Sudkessel durch die Dynamik der Craft Bier-Szene eine Renaissance – und bekommen in dem angeblichen Männerberuf einfach viel mehr Komplimente. Es gibt Frauen, die brauen hervorragende Sude, andere geben ihr Wissen mit Charme bei Verkostungen weiter oder schreiben über neue Biere und deren Macher. Diskriminierung ist ein Fremdwort in der neuen Bierszene.“ Mareike Hasenbeck, Journalistin und Biersommelière von Feiner Hopfen
„Da ich in der Brauerei aufgewachsen bin, war es für mich von klein auf normal, dass in der Branche hauptsächlich Männer arbeiten. Aber genauso wurde ich später in jedem Praktikum oder Angestelltenverhältnis gleich akzeptiert. Wenn ich es mit Treffen unter Kollegen vergleiche, dann ist es egal, ob am Tisch Männlein oder Weiblein sitzt – diskutiert wird über die gleichen Themen und jede Meinung zählt.“ Isabella weiß aber auch: „Fast keine Frauen arbeiten als klassische Brauer in höherem Alter. Die meisten, die eine Ausbildung in der Branche machen, gehen später in die Qualitätssicherung oder wechseln in Richtung Pharma oder andere Lebensmittelbereiche.“ Isabella Mereien, Braumeisterin der Brauerei Drei Kronen in Memmelsdorf
„Meine Erfahrungen sind durchweg positiv. Ich denke aber, dass das einfach daran liegt, dass der Brauer an sich ein freundlicher und hilfsbereiter Mensch ist. Wenn man etwas unbedingt machen will, ist das Geschlecht egal. Bis auf körperliche Grenzen, denen man einfach als Frau unterworfen ist, kann man jeden Beruf erlernen und alles machen, was man will und sich zutraut.“ Birgit Strasser, Brau- und Malzmeisterin der Graminger Weissbräu (Foto: Sebastian Gabriel)
„Ich hatte nie wirklich Probleme. Man muss den einen oder anderen Kommentar verkraften können, aber das kommt in jeder Branche vor. Eher im Gegenteil: Ich war immer etwas Besonderes.“ Ihr Tipp: „Leg dir ein paar gute Antworten zurecht auf die gängigsten Sprüche, hab Selbstvertrauen – und sonst hilft immer: Augen zu und durch.“ Victoria Schubert-Rapp, Geschäftsführerin der Brauerei Karg GmbH & Co. KG
„Von Haus aus darf man sich nichts gefallen lassen. Es wird immer wieder Situationen geben, in denen man über Vorurteile stolpert. Wenn man damit rechnet, erwischt es einen nicht kalt. Gerade in diesem Beruf, in dem hauptsächlich Männer arbeiten und Wertungen abgeben, muss man sich als Frau durchsetzen. Wird man als Frau in einem typischen Männerberuf anders behandelt? Ja, natürlich. Schläuche ziehen, Fässer wuchten, Säcke schleppen: Männer fühlen sich da in der Pflicht zu helfen oder sind missmutig, einen vermeintlich schwächeren ‚Kollegen‘ zu haben. Da muss man die Herren erst mal vom Gegenteil überzeugen oder Absprachen treffen, damit sich alle wieder wertgeschätzt fühlen.“ Barbara Lohmeier-Opper, Bräu z’Loh
„Grundsätzlich sollen Mädchen und Frauen keine Angst haben, einen Männerberuf zu ergreifen. Ein bisschen Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen schaden nie und sind hierbei auf alle Fälle eine der Grundvoraussetzungen. Dass man als Frau anders behandelt wird, ist definitiv der Fall. Man muss sich als Frau immer erst beweisen und seine Kompetenzen offenlegen.“ Daniela Hartl, Camba Biererlebniswelt Camba Bavaria
„Was mich persönlich nervt, sind Geschlechterklischees, vor allem in der traditionellen Bierwelt: Kasten Bier für die Männer beim Fußball oder fruchtige Biermischgetränke nur für die Frauen. Bei BRLO ist es mir wichtig, dass wir Biere für ALLE machen und sich das auch in unserer Marke und unserer Kommunikation widerspiegelt. Niemand sollte sich davon abhalten lassen, seinen Weg zu gehen, auch wenn das Auseinandersetzungen zur Folge hat. Denn stellt man sich den Herausforderungen nicht, gibt man denen, die überholte Stereotypen verbreiten, die Möglichkeit, das auch weiterhin zu tun.“ Katharina Kurz, Co-Gründerin und Geschäftsführerin bei BRLO (Foto: Maria Schiffer)
„Jede Frau schafft, was sie sich vornimmt. Es gibt immer Menschen, die meinen, andere klein machen zu müssen, um sich selbst besser zu fühlen. Vor allem ging es für mich immer darum, durch eine fundierte Ausbildung sämtliche möglichen Vorurteile direkt auszuräumen. Persönlich hat es mir immer geholfen, klare Ansagen zu machen, offen über Probleme zu sprechen und Grenzen zu ziehen. Wir können ja alle voneinander lernen und müssen uns nicht gegenseitig klein machen.“ Franziska Weyermann, Mich. Weyermann GmbH & Co. KG
„Frauen gehen Probleme anders an als Männer, und ich glaube, genau deswegen habe ich bisher noch keine Probleme gehabt, geschlechterspezifischen Vorurteilen zu begegnen. Eine harte Schale ist definitiv von Vorteil, aber ich habe die Erfahrung gemacht, es ist gar nicht so schlimm, wie man denkt. In unserem Betrieb sind alle doch eher liberal eingestellt und jeder weiß deine Arbeit zu schätzen.“ Lisa Goldmann, 24 Jahre alt, hat an der Forschungsbrauerei Weihenstephan gelernt und ist seit Juni auf der Walz.
Vorurteile sind wohl eines der größten Laster unserer Gesellschaft. Es ist gerne mal schnell geurteilt, bevor man wirklich Zeit hatte, sein Gegenüber kennen- und einschätzen zu lernen. Es ist natürlich auch einfach, in Schubladen zu denken. Frauen interessieren sich für Mode und Klatschpresse, Männer für Fußball und Motorsport. Mädchen tragen Rosa, Jungs Blau.
Viele erfolgreiche Frauen in der Bierbranche zeigen, dass solche Klischees heute überholt sind. Alle zwölf von uns befragten Brauerinnen eint der Wunsch: Das Genderthema sollte eigentlich keines sein. Ob Brau- und Malzmeisterin, Mechanikerin, Pilotin oder Tischlerin: Jeder Mensch sollte den Beruf ausüben, den er liebt.