Die Decker Garage verkauft eigenes Bier, ohne Brauerei zu sein. Gebraut wird das Bier bei verschiedenen kleineren Betrieben in der Umgebung von Freiburg. Das Decker-Team sorgt im Gegenzug für Verbreitung, Image und Bekanntheit. Wie die Sharing Economy für Brauer funktioniert, darüber haben wir uns mit Geschäftsführer David Schneider unterhalten.
Ganz oder teilweise ungenutzte Ressourcen gemeinsam nutzen – das ist der Grundgedanke der Sharing Economy. Was zum Beispiel in der Landwirtschaft schon vielfältig umgesetzt ist, kennen Brauer noch kaum. In Freiburg im Breisgau ändert sich das. David Schneider, Daniel Johari und Markus Gut, die Gründer der Decker Garage, setzen das Prinzip für Bier um.
Wer steckt dahinter?
David ist zum Studium nach Freiburg gekommen, ist eigentlich Historiker, Archäologe und Medienwissenschaftler. In Freiburg hat er Daniel kennengelernt und sich mit ihm selbstständig gemacht. „Wir sind zwei Spielkinder, Spinner, Visionäre“, sagt David. Gemeinsam mit Daniel hat er Unternehmen beraten, Marken entwickelt und Start-ups unterstützt. „Da waren ganz verschiedene Projekte dabei, wir haben nachhaltige Grillkohle entwickelt, ein Streetart Magazin konzipiert.“
Dass es beim Bier in den Freiburger Bars eine Angebotslücke gibt, ist den beiden relativ früh aufgefallen. „Anfangs hatten wir kein eigenes Büro und haben deshalb vermehrt in Restaurants, Cafes und Bars gearbeitet und dort unsere Meetings gehalten. Nach einer Besprechung haben wir nie Bier getrunken, immer nur Kurze“, gibt David lachend zu. „Das war mit dem Kunden zwar lustig, aber am nächsten Tag dann auch anstrengend.“ Ein Bier musste her und die beiden beschlossen, einfach ihr eigenes zu machen.
Zu der Zeit lernten David und Daniel auch den dritten im Decker-Bund kennen: Markus Gut hatte in der Freiburger Innenstadt einen eigenen Club aufgemacht. Und bei der Entwicklung der Geschäftsidee Decker wurde David und Daniel klar: „Wir brauchen nicht nur zwei Spinner, sondern auch jemanden, der schon Erfahrung hat, der etwas bodenständiger ist und Kontakte in die Szene besitzt.“ Jemanden wie Markus Gut. „Er hatte den Laden, in dem wir unser Bier verkaufen wollten.“
Die Grundidee, ein eigenes Bier, und der erste Absatzmarkt waren also schonmal da. Fehlte eigentlich nur noch die passende Brauerei. Lohnbrauen also. Erste Gespräche wurden mit der Köndringer Dorfbrauerei geführt. „Unser Anspruch war es, möglichst viele geschmacklich originelle und händisch gebraute Bierstile nach Freiburg zu bringen. So kam uns die Idee von einer starken Dachmarke und vom dezentralisierten Produzieren. Wir hatten verstanden, dass sich die Brauer und Brauereien untereinander alle kennen, bisher aber nicht gemeinsam arbeiten.“ So fiel dann 2014 der Startschuss für Decker Bier.
Wer brauts?
Zu den Brauereien, die Decker Bier herstellen, gehören heute die Löwenbrauerei in Elzach, die Familienbrauerei Rogg in Lenzkirch, die Löwenbrauerei in Bräunlingen, das kleine Bierhaus in Schwanau und die Dorfbrauerei Köndringen. „Die Brauer waren gar nicht so schwer zu überzeugen“, erinnert sich David. „Im Gegenteil, die haben selbst gesagt, warum machen wir eigentlich nichts miteinander?“ Die kleineren Brauereien aus der Umgebung hätten sowieso nur ihre jeweils eigene Ecke in der Region versorgt und kamen sich so nicht in die Quere. „Und für uns war wichtig: Je mehr Brauer wir mit an Bord haben, desto mehr Expertise haben wir und desto mehr interessante Biere können wir nach Freiburg bringen.“
Sharing Economy?
„Wir haben aus der Sharing Economy ein paar Ideen übernommen. Das ist zum einen die Regionalität, kurze Warenwege, sowohl für die Rohstoffe als auch für die Produktion und den Vertrieb. Außerdem wollen wir das Vorhandene nutzen, ungenutzte Produktionskapazitäten, die es seit den 1980ern gibt. Dadurch, dass wir mehrere Standorte verknüpfen, können wir auch günstiger einkaufen. Wir setzen auf die Hilfe untereinander. Wenn wir mal 10 000 EUR für neue Flaschen brauchen, dann helfen uns auch unsere Brauer aus“, fasst David zusammen.
Da merke man dann auch, dass die Brauereien nicht nur Produzenten sind. Die Brauer seien stolz darauf, ein Teil von Decker zu sein. Sie bringen die Expertise in ihrem Fach, dem Bierbrauen, in die Kooperation mit ein. Und eben die Erfahrung, die die Traditionsunternehmen über mehrere Generationen gesammelt haben. Die Decker Garagen setzen dann da an, wo die Traditionsunternehmen heute eine Lücke haben: Bei der Außendarstellung und dem Marketing. „Viele Unternehmen sind sehr angestaubt und sehr festgefahren in ihrem Auftreten und erkennen den Zeitgeist nicht. Dass das so ist, kann man den Brauereien auch nicht vorwerfen, es fehlt einfach das Wissen und der Anschluss.“
Die Decker Garage zeige, dass man Bier auch ganz anders auflegen kann. „Eben ohne Kutschenbildchen auf dem goldumrandeten Etikett. Wir wollten das Ganze etwas mehr wie eine Rockband aufziehen“, sagt David. „Kunden nehmen uns und Decker als leicht zugänglich, offen, ehrlich und modern wahr. Das ist uns auch wichtig! Das Bier kann noch so geil sein, es schmeckt einfach nochmal anders, wenn du es mit einer bestimmten Attitüde trinkst.“
Das erreiche man nicht durch ein riesen Marketing-Budget, sondern durch Kommunikation auf Augenhöhe, Ehrlichkeit und Transparenz. Und David meint außerdem: „Dazu gehört auch, dass du nicht auf dem Rücken von anderen deinen Profit erwirtschaftest, sondern dass der Profit gemeinschaftlich erwirtschaftet wird. Wichtig ist es, Gesicht zu zeigen. Jeder soll uns mit Namen kennen und jeder soll uns auch ansprechen können.“
Und die Brauer?
So weit, so hip. Aber sehen das die Brauereien nicht eher kritisch, nur noch Produzent und eher Randnotiz zu werden? „Das haben wir am Anfang auch gedacht. Ich glaube, jemand, der so einen Traditionsbetrieb hat, der ist damit aufgewachsen, dass er der Brauer ist. In seinem dörflichen Umfeld ist er eingebunden. Aber für diese Kleinbrauereien ist Freiburg ein komplett abgeriegelter Markt. Durch Decker kommen sie hier jetzt rein, wenn auch nur in kleinen Mengen. Unsere Brauer stehen immer mit ihrem Betrieb auf dem Etikett. Das fänden wir auch falsch, erst ein Netzwerk aufzubauen und dann nicht zu sagen, wo wir produzieren. Das wäre unsinnig und nicht transparent.“ Die einzelnen Betriebe unter einen Hut zu bringen, ist gar nicht so leicht, wie David feststellt: „Die Betriebe sind sehr unterschiedlich, darauf müssen wir eingehen, die Koordination der dezentralisierten Produktion und der Warenlogistik ist eine der Hauptaufgaben von Decker.“
Vieles wird gemeinschaftlich beschlossen: „Wir haben es auch hinbekommen, dass wir Anschaffungen und die Strategie besprechen. Da hängen ja auch Dinge wie Produktionskapazitäten dran, das sind Faktoren, die mit der wachsenden Größe kommen. Zweimal im Jahr müssen wir uns mindestens zusammensetzen.“ Was jetzt fast wie Genossenschaft klingt, ist aber keine. „Wir sind ein Unternehmen und das wird von den Gesellschaftern geführt. Was uns auszeichnet ist, dass wir viele Menschen mit einbinden, mit vielen Leuten sprechen, Erfahrungen sammeln und die Entwicklung gemeinsam vorantreiben. Anstatt wie die Großen der Branche starr und behäbig zu sein, sind wir klein, smart und agil. Für uns und das Thema Bier ist es genau das Richtige.“
Decker Bier gleich Craft Bier?
Auch wenn der Hype um Craft Bier dem Projekt in die Karten gespielt hat, als Craft Bier-Brauer wollen sich die Decker-Jungs nicht bezeichnen. Dennoch treten auf diesem Weg die Einzelhändler an Decker heran. „Es war nicht geplant, dass wir den Einzelhandel mit dem Label Craft Bier bedienen. Und doch werden wir in die Ecke gedrückt, von Händlern wie auch von Kunden. Klar, die Einzelhändler verdienen mit Craft und machen auch Umsatz für uns, aber das ist nicht der Weg, den wir favorisieren.“ Decker Bier will nicht dem Ruf des Einzelhandels nach besseren Preisen folgen müssen. „Wir wollen unseren Produzenten die Preise nicht kaputt machen. Die Brauereien sollen Spaß an Decker Bier haben. Letztendlich sind wir ja zu denen gekommen und haben die Brauereien um einen Gefallen gebeten.“ Der Liter Decker Bier kostet neun Euro im Biergarten.
Decker ist also ein echtes Herzensprojekt. „Wir haben gemerkt, dass Bier eine Art Zuhause bietet. Es ist megagesellig, nicht nur das Bier zu trinken, sondern es auch machen.“ Deshalb arbeiten die Jungs auch an der Umsetzung ihrer ersten kleinen Brauerei, diese soll Spezialbiere brauen und der Freiburger Hobbybrauszene als Versuchsanlage dienen. „Es wäre schon geil, wenn das Decker-Ding noch ein paar Jahre überlebt. Wenn das im jetzigen Rahmen weiterwächst, sowieso.“