Bevor Biere mit Hopfen gewürzt wurden, fanden allerhand Kräuter, Gewürze und andere pflanzliche Zusätze ihren Weg in die Sudkessel: die Grut. Dr. Markus Fohr verfolgt für GradPlato die Spur der Grut von ihren ersten Anfängen bis heute, geht den wichtigsten Grutkräutern und ihrer Wirkung nach und beschäftigt sich mit den modernen Ansätzen der Craft Bier-Brauer. Grutbier-Schlupfloch im vorläufigen Biergesetz: §9, Absatz 7: „... kann im einzelnen Falle zugelassen werden, daß bei der Bereitung von besonderen Bieren ... von den Absätzen 1 und 2 abgewichen wird.“
Die Reise in die Grutbierwelt, auf die uns Dr. Markus Fohr mitnimmt, entstand im Rahmen seiner Masterthesis am Institute of Masters of Beer. Dieser Beitrag beruht auf einer dreiteiligen Artikelserie, die in der BRAUWELT erschienen ist (Teil 1: Ursprung und Verbreitung, Teil 2: Kräuter und ihre Wirkung, Teil 3: Renaissance im Craft Bier-Zeitalter). Die Langfassung mit vollständigen Quellenangaben wird auch in Buchform erscheinen.
Definition von Grutbier
Was ist Grutbier eigentlich? Zu Beginn muss eine Begriffsdefinition her. Was sagen einschlägige Quellen: Grutbier enthält als Ersatz oder als Ergänzung des Hopfens mindestens eine weitere würzende Zutat natürlichen, pflanzlichen Ursprungs wie beispielsweise Kräuter oder Gewürze.
Verbreitung des Grutbieres
Offenbar war das Bierbrauen mit aromatisierenden Zutaten wie Kräutern und Gewürzen in der ganzen Welt verbreitet, so bei den Sumerern, Ägyptern, Griechen, Chinesen oder Indern, aber auch bei den Iren, Kelten und Germanen.
Zum ursprünglichen Verbreitungsgebiet des Grutbieres gehören das Rheinland, Belgien und die Niederlande. Auch in Großbritannien, im Nord- und Ostseeraum, Skandinavien und Russland kannte man Grutbier.
Der Ursprung des Begriffes Grut
Insgesamt deutet vieles darauf hin, dass die ursprüngliche Grut eigentlich ein Malzextrakt war. Weitere Quellen bestätigen, dass die Grut Zutaten wie Getreide, vergorene Spelzen, Harz oder Kirschen enthielt und damit im Ursprung keine reine Würzmischung aus Kräutern war, sondern weitere Aufgaben erfüllte, z.B. auch bei der Gärung.
Was steckt jetzt eigentlich drin im Grutbier?
Gagel und Porst tauchen häufig als Zutaten von Grutbieren auf. Der Gagel war aufgrund seiner aromatisierenden Wirkung beliebt, er kann zudem eine berauschende Wirkung entfalten. Den Porst schätzte man ebenfalls aufgrund seiner berauschenden Wirkung.
Neben den beiden Kräutern tauchen in verschiedenen Quellen auch die Beeren des Lorbeerbaumes sowie Kümmel, Anis, Kirschen und Wacholder als Zutaten der Grut auf.
Erwähnt werden zudem Harz, Ingwer, Dinkel, Scharpetange, Schafgarbe, Salbei, Thymian, Mädesüß, Heidekraut, Beifuß, Rosmarin, Koriander, Fichtensprossen, Eschenblätter, Wermut, Hopfen oder Gundermann.
Häufig enthielten Biere auch Zusätze wie Fliegenpilz, Schwarzes Bilsenkraut, Tollkirsche und Stechapfel, die allesamt halluzinogene Eigenschaften besitzen.
Eine wilde Mischung nach dem Motto – alles kann, nichts muss.
Die wichtigsten Grutkräuter und ihre Wirkung
Als wichtigste Grutkräuter gelten Gagel, Porst, Lorbeer und Kümmel. Sie haben einiges gemeinsam: Alle besitzen Bitterstoffe und damit antiseptische Wirkung und sollten vermutlich die Haltbarkeit verbessern. Zudem haben sie alle leicht narkotische und berauschende Eigenschaften, weshalb die Menschen sie für religiöse Zeremonien und wichtige Feierlichkeiten nutzten. Einige Quellen sehen das Aufkommen des Hopfenbieres und das Reinheitsgebot als mittelalterliche Methode der Drogenbekämpfung.
Die Zutaten verliehen den mit Grut gebrauten Bieren ein fruchtig-würziges Aroma. Die Grut kann eigentlich zu fast jedem Zeitpunkt im Brauprozess eingesetzt werden.
Verwandte des Grutbiers in aller Welt
Bierstile, die nicht explizit historisch als Grutbier erwähnt sind, aber unter die oben genannte Definition fallen, sind der Hannoveraner Broyhan und die Leipziger Gose. Auch der US-Bierstil Pumkin Ale und das belgische Witbier können als Grutbier bezeichnet werden. Weltweit gibt es weitere Beispiele für Grutbiere im Sinne dieser Definition …
Das Ende des historischen Grutbierzeitalters
Bis zum 13. Jahrhundert war der Hopfen eines unter vielen möglichen Würzmitteln des Bieres. Zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert verdrängte das Hopfenbier zunehmend das Grutbier.
Doch die Grutbiere verschwanden keineswegs über Nacht. Belege für ihre Existenz auch in Deutschland finden sich letztlich bis zum 3. Juni 1906, als das deutsche Reinheitsgebot per Gesetz im gesamten deutschen Reich zum endgültigen Verbot der Grutbiere führte.
Renaissance im Craft Bier-Zeitalter
Experimentierfreudigen Brauern kommt das Grutbier mit seiner wilden Mischung aus zahlreichen Kräutern, Gewürzen und anderen Pflanzenbestandteilen gerade recht. Zahlreiche Heim- und Hobbybrauer, aber auch Gasthaus-, Craft und traditionelle Brauereien interpretieren Grutbier neu und verhelfen ihm zu einer Renaissance.
Rechtliche Situation des Grutbieres in Deutschland
Das Vorläufige Biergesetz schränkt die Grutbier-Experimentierfreudigkeit in Deutschland etwas ein, es gibt aber legale Wege, um diese Regelung zu umgehen.
Gemäß § 9, Absatz 7 des Vorläufigen Biergesetzes gibt es eine Ausnahme, nach der auf Antrag im Einzelfall die Möglichkeit besteht, bei der Bereitung von besonderen Bieren von den Absätzen 1 und 2 abzuweichen.
Aus verschiedenen Bundesländern ist bekannt, dass relativ unbürokratisch Ausnahmegenehmigungen für besondere Biere erfolgen. Die bayerischen Behörden genehmigen allerdings grundsätzlich keine Ausnahmen für besondere Biere.
Wie schmeckt modernes Grutbier?
Das Thema Bier ist weder ein trockenes noch ein bierernstes. Demzufolge verkostete der Autor einige moderne Grutbiere. Ihre Auswahl ist willkürlich und zufällig, je nachdem welcher Biere er habhaft werden konnte. Alle Biere im Detail zu beschreiben, sprengt den Rahmen dieses Beitrags, weshalb an dieser Stelle auf die Original-Artikelserie in der BRAUWELT und speziell auf „Grutbier, Teil 3: Renaissance von Grutbier im Craft Bier-Zeitalter“ in der BRAUWELT Nr. 8-9, 2020 verwiesen sei. Der Artikel enthält zahlreiche Verkostungsnotizen von Grutbieren aus aller Welt und gibt einen Eindruck von der Geschmacksvielfalt.
Literaturtipps, für alle, die jetzt auf den Geschmack gekommen sind …
- Verberg, S.: The Rise and Fall of Gruit. The Brewery History Society, Brewery History, 174, 2018, S. 46-78.
- Rätsch, C.: Urbock oder echtes Bier, https://www.christian-raetsch.de/Artikel/Artikel/Urbock-oder-echtes-Bier.html
- Fischer, G.; Gansohr, H.; Heizmann, B.; Herborn, W.; Schulze-Berndt, H.-G.: Bierbrauen im Rheinland. Rheinland-Verlag GmbH, Köln, 1985.
- Pause, C.: „Das Grutbier: Biergenuss ohne Hopfen“, Carl Pause (Hrsg.): Neuss und das Altbier, Neuss, 2013, S. 33-38.
- N. N.: Der vollkommene Bierbrauer, Reprint Verlag Leipzig, 2012.
- Heilshorn, B.: Against All Hops. Techniques And Philosophy For Creating Extraordinary Botanical Beers, Page Street Publishing Co., Salem, MA, USA, 2017.
- Buhner, S. H.: Sacred and herbal healing beers. Brewers Publications, 1998.
- Kiesbye, A.: Kräuterbier & Co., Stolz Verlag, Düren, 1. Ausgabe, 2003.
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