Eines bleibt einem nach dem Besuch der „kleinsten Brauerei Frankens“ sicher im Gedächtnis: das schallende Lachen des Besitzers und Braumeisters David Hertl. Er verleiht seiner Begeisterung für das, was er tut, gerne und laut Ausdruck. Und das zu Recht, denn was er vor allem mit Hilfe seiner Familie auf dem elterlichen Hof im oberfränkischen Schlüsselfeld alles auf die Beine stellt, ist außergewöhnlich.
Das trifft nicht nur auf seine Biere, wie die Gurken-Gose, zu. Wir haben David einen Besuch abgestattet und uns in Frankens kleinster Brauerei umgesehen. 160 hl werden in der Brauerei, untergebracht im alten Bauernhof, jährlich gebraut. Gleich mehrere Schilder mit der Aufschrift „Braumanufaktur Hertl“, eines davon so groß wie ein Scheunentor, weisen darauf hin, was hier passiert. Ein bisschen Werbung muss man im kleinen Schlüsselfeld schon machen. Größter Werbeträger ist aber wohl David selbst. Als echter Lautsprecher dürfte er schon so manchem aufgefallen sein, schließlich sind David und sein Team über das Jahr verteilt bei zahlreichen Messen, Festivals und sonstigen Bier-Veranstaltungen anzutreffen. Aber der Reihe nach.
Elektriker? Brauer!
Eigentlich hätte David Elektriker werden sollen, der Wunsch des Großvaters. Das war aber nicht so seins. Probiert hat er das mit dem Elektriker trotzdem. Dass da dann während des Praktikums im großväterlichen Betrieb ein Auftrag bei einer Brauerei dabei war, das nennt David heute „Opas größten Fehler“ und lacht dabei laut. In der Brauerei, da hat es David nämlich gefallen. In insgesamt sieben Brauereien und Mälzereien hat er im Anschluss Praktika gemacht.
„Und dann hab ich die Ausbildung zum Brauer und Mälzer gemacht, beim Düll in Krautheim“, erinnert sich David.
„War auf jeden Fall eine schöne Sache!“ Acht Stunden Brauerei am Tag, das war ihm aber schon damals zu wenig. „Dann hab ich eben daheim gebraut, mit Einkochtopf und Fliegengitter! Die ganze Küche hab ich belegt und am Ende war natürlich alles voller Hopfenschwaden. Das hat die IKEA Küche leider nicht vertragen“ (schallendes Lachen). Kein Wunder, dass seine Mutter ihn und seine Braukessel dann in den leerstehenden Schweinestall verbannt hat.
Der Schweinestall wird auch heute noch genutzt, aber zu erkennen ist die ehemalige Bestimmung des Gebäudes nicht mehr. Dort befindet sich jetzt der Partyraum und im hinteren Teil dann die 2-hl-Brauerei, das Herz- und ein echtes Einzelstück.
Brauanlage Marke Eigenbau
Die Maisch- und Würzepfanne zum Beispiel, die hat ein ehemaliger WG-Mitbewohner von David organisiert:
„Der hat gesagt, ‚Hey, aus der Großkantine hätte ich da diesen Behälter, mit wassergefülltem Doppelmantel, gasbeheizt‘. Für zwei Kästen vom ersten Bier hat er mir den Kessel überlassen. Selbstgemachtes Bier ist immer die beste Bezahlung!“ (schallendes Lachen).
Der rechteckige Läuterbottich ist selbst geschweißt. Und für den Läuterboden, ebenfalls Marke Eigenbau, wurden an mehreren Abenden 6280 Löcher in ein Edelstahlblech gebohrt. Verschleiß: Elf Bohrer und das ein oder andere Bier. „Das war damals noch in meinem ersten Lehrjahr!“
Auch der Kühlraum, der aus Wohnmobilbauteilen besteht, ist ein Unikat. Für die eigentliche Kühltechnik war dann wiederum der Elektriker der Familie (der Opa) verantwortlich. Überhaupt spielt die Familie in der Braumanufaktur Hertl eine große Rolle. So ist Mutter Vroni unter anderem für die Rohstoffbeschaffung zuständig. Sie pflückt etwa die Schwarzbeeren für „Vronis Wild-Blueberry Strong Ale“. „Dafür haben wir vor vier Jahren 100 kg Beeren aus dem Wald geholt“, erinnert sich David. Vater Bernd, eigentlich der Winzer der Familie, wurde zum Brauer und Biersommelier umgeschult. Und Cousin Tobias ist für die Bauarbeiten am Brauereigebäude zuständig. „Den Brau-Raum haben wir selbst gefliest. Nachts um zwei haben wir damals beschlossen: Los, das machen wir jetzt noch schnell. Fliesenkleber angerührt, und dann ging's los.“
Mehrere Standbeine
Längst hat sich David aber auch breiter aufgestellt, nicht nur die Brauerei beschäftigt ihn und die Familie. Nebenbei werden an den Wochenenden Bier-, Brau- und BBQ-Seminare gegeben. David ist außerdem Franchisenehmer der Bierothek und betreibt einen Shop in Bamberg. Nicht zuletzt ist die Braumanufaktur Hertl noch auf zahlreichen Messen und Events anzutreffen. Nebenher macht David dann gerade noch die Ausbildung zum Weinsommelier – sehr aufwendig, nimmt die Ausbildung doch gleich zwei Jahre in Anspruch – und unterrichtet an der Brauerschule in Kulmbach innovative Brauverfahren jenseits des Reinheitsgebots und Sensorik. Nur mit der Hilfe der Familienmitglieder ist dieses Pensum nicht zu schaffen.
„Wir sind mittlerweile sieben Mitarbeiter, darunter ein südkoreanischer Praktikant, der Eddie, und ein Auszubildender, der Marcel.“
Höhere Weihen
Der Aufwand, vor allem für die vielen Messeauftritte, hat sich wohl gelohnt: „Wir sind mittlerweile Exklusivpartner von Alexander Herrmann, dem Sternekoch.“ Der Kontakt kam während einer Messe zustande, ein Foodscout wurde auf die Braumanufaktur aufmerksam.
„Alexander Herrmann hat sich dann eine Woche später gemeldet und wir haben gemeinsam gebraut."
„Zusammen haben wir das Motoröl kreiert. Ein Imperial Porter, drei Monate auf Eichenholz gelagert. Und das serviert er jetzt in der Ölkanne zum Craft Bier-Eis. Zu seiner Forelle mit fermentierten Gurken gibt’s unsere Gurken-Gose.“ In Sachen Bierideen greift David auf einen großen, ausgefallenen Fundus zurück. Craft Brauer möchte er sich aber nicht nennen. „Craft Bier ist ja sowas von ausgetreten, und jeder schreibt sich Craft Brauer drauf, und keiner ist es eigentlich.“ Er bezeichnet sich selbst am liebsten als Kreativ-Brauer. Zwar hat er immer ein IPA und ein Kellerbier im Sortiment, daneben gibt es aber zahlreiche, oft limitierte, besondere Biere. „Wir haben ein Bourbon Ale, sechs Monate im Bourbon Fass gelagert. Dann haben wir die Gurken-Gose und ein Whisky Sour Ale. Jetzt haben wir gerade ein Rauch-IPA gemeinsam mit Fritz Wülfing von Alemania gebraut.“ Die Begeisterung ist David sofort anzumerken, wenn er über sein Bier spricht.
Manchmal wird die Begeisterung aber auch von außen gebremst, wie im Falle der Gurken-Gose: Den ersten Sud fanden nämlich die Verfechter des Reinheitsgebots und die Lebensmittelaufsicht gar nicht gut. „Als wir die das erste Mal gebraut haben, da haben wir Strafe gezahlt, insgesamt 4500 EUR. Das war ein teures Projekt. Aber das Bier war so geil, das muss gebraut werden!“ Heute braut David seine Gurken-Gose zusammen mit Hopfmeister in Tschechien und bringt das Bier, das nach EU-Recht Bier heißen darf, dann wieder nach Deutschland. Mit großem Erfolg, erst vor kurzem hat die Gurken-Gose Gold bei den World Beer Awards 2017 abgesahnt.
Blick nach vorne
David plant trotz kleinerer Rückschläge munter an der Erweiterung seiner Brauerei. Die neue Maischepfanne, ein ausrangierter 10-hl-Milchtank, und zwei Läuterbottiche, ebenfalls Milchtanks, stehen schon bereit. „Die ganz große Vision ist, dass wir in fünf Jahren einen eigenen Weinberg haben. Mit einem Weingut und einer Brauerei auf einem Gelände. Jetzt machen wir erstmal Wein-Bier-Hybriden, das funktioniert auch super.“ Da passt es gut, dass Bauleiter Tobias gerade den alten Kartoffelkeller zum Holzfasslager und Verkostungsraum umbaut.
Zeitfrage?
Stellt sich nur noch die Frage: Wie bringt David all die Projekte, Aufgaben und Angebote unter einen Hut? Reibt man sich da nicht ganz schön auf? Kurz wird David ernst: „Das alles alleine zu machen, das würde nicht gehen. Es muss ein gutes Team dahinterstehen.“ Und er fügt, schon wieder heiterer, hinzu: „Aber es wird eben alles auch so super angenommen, die Seminare sind ausgebucht ohne Ende und die Sache mit Alexander Herrmann, das war wie ein Ritterschlag für uns!“
Zum Abschluss fragen wir ihn noch nach einem Tipp für alle, die auch ihre eigene Brauerei aufmachen möchten. Da lacht David:
„Verabschiedet euch von eurem Privatleben. Der Job ist das Hobby!“ (schallendes Lachen).