Portraits


	
						
	
	

				
			

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Im ersten Teil dieser Trilogie schilderte unser Autor Dr. Markus Fohr die Entstehung des hölzernen Bierfasses in der Antike, seinen Einsatz bei der Hanse und auf den Seefahrten der Entdecker. Diese sahen sich oft mit einem ungebetenen Gast konfrontiert: der Mangelkrankheit Skorbut. Der Skorbut, letztlich das Fehlen winziger Mengen an Vitamin C, dezimierte Besatzungen vielfach erfolgreicher als Kampfhandlungen. Teil 2 widmet sich nun dem Kampf gegen den Skorbut, bei dem das Spruce Beer eine tragende Rolle spielte …

Der Skorbut erwarb sich zu Recht den Beinamen "Geißel der Seefahrt". Das rettende Vitamin C und seine Rolle kannte man zu Zeiten der Entdecker noch nicht. Doch die Ärzteschaft versuchte das Problem natürlich mit allen Mitteln in den Griff zu bekommen und erarbeitete eine Fülle von Ratschlägen.

 

Tannennadelspitzen

Zu den Ratschlägen der Ärzteschaft gehörte das "Sprossenbier". Es ging auf Beobachtungen zurück, die der Entdecker des Labradorstromes, der französische Seefahrer Jacques Cartier, sammeln konnte. Als Cartier im Jahre 1545 auf der Reise nach Neufundland mit seinem Schiff im Sankt-Lorenz-Strom überwinterte, stellte sich eine bisher bei den Seefahrern unbekannte Erkrankung ein. Von 110 Mann der Besatzung erkrankten 107, wovon 25 starben. Cartier vermutete zunächst den Ausbruch einer Pest, wohl durch die auffälligen Hautblutungen irregeleitet. Auffällig war aber auch das Lockerwerden und Ausfallen der Zähne. Auf Anraten von Indianern nahmen die Kranken Nadelspitzen des Thujabaumes zu sich, und viele wurden wieder gesund. Dies geschah, indem man "Spruce Beer" mit den Nadelspitzen braute. Seither gilt die Thuja als "Lebensbaum". Noch Jahrhunderte später gehörten Tannennadelspitzen zum Repertoire der Skorbut-Behandlung [1].

Je nach Quelle findet man als Übersetzung des Begriffes Spruce Beer ins Deutsche "Fichtenbier" oder auch "Sprossenbier", wobei letzteres die Sprossen der Fichte, aber auch anderer Bäume, wie der Kiefer, der Tanne oder der Thuja, umfasst.

 

Weitere "Antiskorbutika"

Der Einfluss frischer Kräuter rückte weiter in den Blick der Kämpfer gegen den Skorbut. Um 1560 nannte der Greifswalder Arzt Franz Joel I. die Brunnenkresse als Antiskorbutikum. Auch das Scharbockskraut, lateinisch Cochlearia officinalis, oft auch Löffelkraut genannt, sowie Meerrettich und Senfkraut fanden bei Medizinern Verwendung. Dies erfolgte oft durch Brauen von "Tannenbier" oder "Heilbier" unter Zusatz der genannten Kräuter [1].

Auch die Nadeln und Knospen der Fichte entdeckten besonders die Brauer des 18. Jahrhunderts in Nordamerika, aber auch die Seefahrer dieser Zeit für sich. Ihr hoher Gehalt an Vitamin C prädestinierte sie als Mittel gegen den Skorbut [2].

Den entscheidenden Durchbruch erreichte schließlich der englische Schiffsarzt James Lind im Jahre 1747. Er entdeckte, dass gegen den Skorbut Zitronensaft und in geringerem Maße Apfelwein wirksam waren. Daher begannen die Seefahrer diese Substanzen dem Schiffsbier zuzusetzen. So blieb dieses, was es – zumindest bei nordischen Marinen – bereits seit Jahrhunderten war: fester Bestandteil des Bordproviants [1].

 

Captain James Cook, der Brauer

Der berühmteste Name, der in Zusammenhang mit dem Bier und dem Kampf gegen den Skorbut auftaucht, lautet James Cook. Niemand hat die Karten dieser Welt so verändert wie dieser britische Seefahrer, Navigator, Kartograph und Entdecker auf seinen drei Reisen in den Jahren 1768 bis 1779. Anders als viele andere Seefahrer ging er dabei nicht als brutaler Eroberer vor. Cook begegnete anderen Völkern friedlich und verständnisvoll. Er beabsichtigte sie weder zu unterjochen noch auszubeuten, sondern von ihnen zu lernen. Dennoch vereinte ihn der Tod wieder mit den Eroberern dieser Welt. Cook starb 1779 durch einen Keulenhieb im Kampf mit Hawaiianern [3].

 

James Cook (1728-1779); die beiden Schiffe für seine dritte Expedition	Quelle Bild rechts [3]
James Cook (1728-1779); die beiden Schiffe für seine dritte Expedition, Quelle Bild rechts: [3]

 

Trotz seiner langen Reisen verhinderte James Cook laut dem australischen Wissenschaftler Stubbs durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen den Ausbruch von Skorbut unter seinen Seeleuten. Zu diesen Maßnahmen zählte auch die Versorgung der Seeleute mit Bier. Für seine Verdienste erhielt er 1776 die Sir Godfrey Copley's Medaille der Royal Society of London. Eine Auszeichnung, die diese nur einmal jährlich für besonders nützliche und erfolgreiche experimentelle Untersuchungen verlieh [4].

 

Brauversuche

Stubbs berichtet, dass Cook mehrere Maßnahmenvarianten in Zusammenhang mit Bier und Malz erprobte und durchführte:

  • die Mitnahme von Bier und Rum;
  • die Mitnahme von Malz (Täglich schrotete man es, vermischte es mit kochendem Wasser und teilte es an die Besatzung aus. Laut Cook konnte man damit den Fortschritt des Skorbuts aufhalten, die Krankheit aber nicht kurieren);
  • der Versuch, auf seiner zweiten Reise auf See Bier zu brauen (Cook hatte eingekochte Würze und eingekochtes Bier mitgenommen, beides verdünnte er mit Wasser. Der eingekochten Würze setzte er Hefe zu und ließ es einige Tage gären. Vermutlich waren diese Versuche nicht erfolgreich, denn Ähnliches ist von seiner dritten Reise nicht überliefert);
  • das Brauen von Bier aus unterschiedlichen Rohstoffen bei Aufenthalten in Neuseeland, Hawaii und Kamtschatka auf der zweiten und dritten Reise.

Auch die von Price herausgegebenen Logbücher Cooks erwähnen die Versuche mit eingekochter Würze auf See auf der zweiten Reise. Der Kapitän erwähnt: "… dass ich hiermit verschiedene Versuche unternahm, seit wir das Kap der guten Hoffnung verließen, und ich finde, es hat sich in einem kalten Klima über alle Erwartung bewährt." [5]

 

Das erste ozeanische Bier

Verschiedene Quellen belegen [5, 6]: Die Sternstunde für das erste ozeanische Bier schlug auf Cooks zweiter Reise von 1772 bis 1775, deren Hauptziel an sich die Erforschung der Antarktis war. Im Zuge dieser Reise landete Cook auch im Süden Neuseelands, der heute als eine der landschaftlich schönsten Regionen der Erde gilt; diesen hatte er bereits auf seiner ersten Reise erkundet. Zwei Monate blieben Cook und seine Seeleute dort in der Dusky Bay, einem der größten Fjorde an der neuseeländischen Küste, vor Stürmen durch eine vorgelagerte Insel geschützt. In dieser Zeit errichteten sie Werkstätten sowie ein Observatorium und knüpften Kontakte zu den Ureinwohnern, den Maoris. Und: Dort setzte James Cook am 1. April 1773 auch den ersten Sud auf ozeanischem Boden an.

 

Lage des Dusky Sound auf der neuseeländischen Südinsel 	Bild: [7]
Lage des Dusky Sound auf der neuseeländischen Südinsel, Bild: [7]

 

Stubbs berichtet, dass Cook hier aus eingedickter Würze und Molasse braute. Ferner fügte er Blätter und Zweige eines Baumes hinzu, den er als ähnlich der amerikanischen Schwarzkiefer beschrieb. Selten erlebte er seine Mannschaft so kräftig wie zu der Zeit in der Dusky Bay und führte dies entscheidend auf das Bier und auf die frischen Früchte zurück. Weitere Biere braute Cook bei den nachfolgenden Aufenthalten mit folgenden Zutaten [6]:

  • Neuseeland im Februar 1777: Melasse, Zucker, Kiefernnadeln;
  • Nootka Sound in Westkanada im April 1778: Kiefernnadeln, weitere Zutaten sind nicht bekannt;
  • Hawaii im Dezember 1778: Rohrzucker und mitgebrachter Hopfen;
  • Kamtschatka in Ostsibirien im September 1779: Molasse und Kiefernnadeln.

Zu dem 1773 in der Dusky Bay gebrauten Bier ergänzt Cook in seinem Logbuch [5]: "Wir … fanden dann jedoch, dass der Absud der Fichte allein dem Bier eine zu sehr stopfende Eigenschaft vermittelte, und vermischten es deshalb mit einer gleichen Menge Tees, welcher diese Eigenschaft teilweise ausschaltete, so machten wir das Bier für jedermann an Bord bekömmlich."

 

Manuka-Baum (Foto: The Mussel Inn)
Manuka-Baum (Foto: The Mussel Inn)

 

Der Weihenstephaner Professor Anton Piendl ergänzt [8]: "Dieser erste ozeanische Sud war ein ganz besonderer. Cook verwendete zwar Melasse zum Sud und eine Ale-Hefe zur Gärung, die er beide aus England mitgeführt hatte, doch als Würzmittel verwendete er original neuseeländische Zutaten. Diese bestanden zum einen aus Fichtennadeln, zum anderen aus den Blättern des Manuka-Baumes."

 

Das Geheimnis des Manuka-Baumes

Auf der Webseite www.captaincooker.com wird erwähnt, dass "Manuka" die Bezeichnung der Maoris für diese Pflanze darstellt. Die Wissenschaft nennt sie Leptospermum scoparium und die Umgangssprache spricht ganz einfach vom "neuseeländischen Teebaum". Manuka-Holz ist außerordentlich widerstandsfähig und wird daher oft zur Herstellung von Werkzeuggriffen eingesetzt. Manuka-Sägemehl entwickelt ein delikates Aroma und dient zum Räuchern von Fleisch und Fisch. Manuka-Honig ist im Vergleich zu anderen Honigsorten aromatischer, dunkler, vielfältiger im Geschmack und hat entscheidende antibakterielle Eigenschaften. Gleiches gilt für Manuka-Tee und Manuka-Bier. Seine wissenschaftliche Erklärung findet der "Unique Manuka Factor" im außerordentlich hohen Gehalt an Antioxidantien in den Manuka-Blättern.

 

Captain Cooker Manuka Beer (Foto: The Mussel Inn)
Captain Cooker Manuka Beer (Foto: The Mussel Inn)

 

Moderne Manuka-Biere

Seit 1995 braut die neuseeländische Brauerei The Mussel Inn das Captain Cooker Manuka Beer. Wie damals verwendet sie eine Ale-Hefe sowie die Blätter des Manuka-Baumes. Mit 5,7 Vol.-% Alkohol ist das Bier vermutlich stärker als sein historisches Original. Zusammen mit örtlichen Brauereien braut man Manuka Beer mittlerweile auch in den USA, in Tschechien und in England. Mehr dazu unter www.musselinn.co.nz

Auf Cooks Manuka Beer beruft sich auch die Wigram Brewing Company in Christchurch, Neuseeland. Sie braut unter dem Namen Spruce Beer ein Weizenbier mit dunkel-kupferner Farbe und 5,0 Vol.-% Alkohol. Zugegeben werden Kiefernnadeln (mehr unter www.wigrambrewing.co.nz).

Beim hier veröffentlichten zweiten Teil der Trilogie über das hölzerne Bierfass handelt es sich um eine gekürzte Fassung des in der BRAUWELT veröffentlichten Textes (Das hölzerne Bierfass, Teil 1, Teil 2, Teil 3).

 

Quellen

  1. Schadewaldt, H.: "Das Bier und die Schifffahrt", https://www.koelner-brauerei-verband.de/historie/historie/das-bier-und-die-schiffahrt.html (abgerufen am 25.2.2020).
  2. Evans, G.: "The Significance of Spruce Beer in 18th Century Expeditions", http://www.virtualmuseum.ca (abgerufen am 26.10.2018).
  3. Beckmann, C.: "James Cook", https://www.planet-wissen.de/geschichte/persoenlichkeiten/james_cook_entdecker_aus_leidenschaft/index.html (abgerufen am 12.4.2020).
  4. Stubbs, B. J.: "Captain Cook’s beer: The antiscorbutic use of malt and beer in late 18th century sea voyages",Asia Pacific Journal of Clinical Nutrition Nr. 12, 2003, S. 129-137.
  5. Price, A. G. (Hrsg.): Captain James Cook. Entdeckungsfahrten im Pazifik. Die Logbücher der Reisen von 1768-1779; Horst Erdmann Verlag, Tübingen, 1971, S. 171-172.
  6. Stubbs, B. J.: "Captain Cook's beer: The antiscorbutic use of malt and beer in late 18th century sea voyages", Asia Pacific Journal of Clinical Nutrition Nr. 12, 2003, S. 129-137.
  7. Dusky Bay, https://en.wikipedia.org/wiki/File:NZ-Dusky_S.png (abgerufen am 12.4.2020).
  8. Piendl, A.: Biere der Welt, Band 1: Australien und Ozeanien, Fachverlag Hans Carl, Nürnberg, 2001, S. 39.