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Die selektiven Eigenschaften von Bier verhindern zwar die Vermehrung von krankheitserregenden Keimen, soweit die gute Nachricht, trotzdem kommen verschiedene Arten von Mikroorganismen mit den Bedingungen im Bier mehr oder weniger gut zurecht. Sie können Aussehen, Geruch und Geschmack des Biers beeinträchtigen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die verbreitetsten Bierschädlinge, gängige Nachweismethoden und Handlungsempfehlungen bei mikrobiologischen Problemen.

Handlungsempfehlungen

Das  Praktische vorneweg: Wir haben drei Tabellen für euch vorbereitet, in denen mögliche Ursachen und Handlungsempfehlungen bei mikrobiologischen Problemen aufgeführt sind. Wegen des Umfangs der Tabellen haben wir sie nicht in den Text eingebettet – sie sind unter den folgenden Links zu erreichen:

 

Der Selbstschutz von Bier

Schadorganismen haben es nicht sehr leicht, im Bier zu überleben und sich zu vermehren. Der sogenannte Selbstschutz von Bier hängt mit dem niedrigen pH-Wert um 4,5, anaerober Atmosphäre (CO2), dem Alkoholgehalt von rund 5 Vol.-%, antibiotisch wirkenden Hopfenbitterstoffen und dem Mangel an Nährstoffen wie Zucker und Aminosäuren zusammen. Pathogene Keime, also Krankheitserreger, und hitzeresistente Keime spielen wegen dieser Faktoren im Brauereiumfeld und im Bier kaum eine Rolle. Deshalb kann der Brauer bei der Pasteurisation bereits mit relativ geringen Temperaturen mikrobiologische Sicherheit erreichen (Abb. 1).

 

Pasteurisationseinheiten, die zur Abtötung verschiedener Mikroorganismen benötigt werden
Abb. 1  Pasteurisationseinheiten (PE) zur Abtötung von Bierschädlingen, PE = Zeit[min] * 1,393(T[°C] – 60), Beispiel: 68 °C und eine Minute Einwirkzeit = 14 PE, damit Abtötung von ca. 95 Prozent der Bierschädlinge

 

Gefährdung vor allem durch Biofilme

Allerdings stellen vor allem Biofilme für die Qualität des Bieres ein potentielles Problem dar. Pioniere wie schleimbildende Essigsäurebakterien nisten sich an feuchten Stellen im Produktionsbereich ein. In ihrem Gefolge nutzen weitere Bierschädlinge die dort vorgefundenen für sie günstigen (und im Innern der Biofilme oft sauerstofffreien) Umweltbedingungen aus. Schließlich adaptieren sich diese Keime an das Biermilieu und können bei der Produktion Probleme verursachen. Und während man frei im Bier schwimmende Keime relativ leicht durch Pasteurisation abtöten kann, gestaltet sich das bei Biofilmen sehr viel schwieriger: Die komplexe Gesellschaft verschiedener Spezies in einem Biofilm schafft durch Absonderung einer schleimartigen Matrix aus Polysacchariden einen wirkungsvollen Schutz gegen Hitzeeinwirkung und herkömmliche Reinigungsmittel. Einem bereits etablierten Biofilm kann man oft nur durch Schrubben Herr werden.

 

Einteilung der Bierschädlinge

Einen Überblick über die generell in Brauereien anzutreffende Mikroflora gibt Abbildung 2.

 

Mikrobiologische Flora in einer Brauerei
Abb. 2  Überblick über die in Brauereien vorkommende Mikroflora

 

Am gefährlichsten für die Bierqualität sind die obligaten Bierschädlinge. Ihnen machen die selektiven Eigenschaften des Bieres nichts aus, sie können sich meist ohne Adaption im Bier vermehren.

Potentielle Bierschädlinge können in Bieren Probleme bereiten, in denen der Selbstschutz weniger stark ausgeprägt ist, z. B. bei niedrigerem Endvergärungsgrad, geringerem Alkoholgehalt oder höherem pH-Wert. Oder sie sind dazu in der Lage, sich nach einiger Zeit an die Bedingungen im Bier zu adaptieren.

Indirekte Bierschädlinge dagegen können sich zwar nicht im abgefüllten Bier vermehren, aber sie können bereits in der Produktion Probleme bereiten und z. B. die unvergorene Würze oder die Hefe befallen.

Neben den Mikroorganismen, die direkt das Bier schädigen, sind in der mikrobiologischen Betriebskontrolle der Brauerei noch eine Reihe von Indikatororganismen von Bedeutung. Zu dieser Gruppe von Organismen gehören Indikatoren für Schmutz, für Bierschädlinge und Fäkalindikatoren. Diese Indikatororganismen spielen für die Betriebskontrolle eine wichtige Rolle, da sie sich um vieles einfacher und unkomplizierter kultivieren lassen als die „echten“ Bierschädlinge, die oft nur in Spuren vorliegen. Indikatorkeime beeinträchtigen zwar nicht direkt die Qualität des Bieres, bei entsprechendem Nachweis lassen sich aber bestenfalls mikrobiologische Probleme sehr frühzeitig erkennen und bereits „im Keim ersticken“.

 

Primär- und Sekundär­kontaminationen

Um zu ermitteln, mit welchen Maßnahmen eventuell auftretende mikrobiologische Probleme zu bekämpfen sind, hat es sich als hilfreich erwiesen, Schadorganismen weiterhin in Primär- und Sekundärkontaminanten zu unterteilen. Primäre Kontaminationen ereignen sich bereits im Produktionsbereich. Die Keime können unter Umständen über den Filter bis ins abgefüllte Bier gelangen. Beispiele sind Pediococcus damnosus und Lactobacillus lindneri. Problematisch für den Nachweis ist die grundsätzlich sehr große Ausdünnung dieser Keime durch den Filter. Deshalb sind Untersuchungsergebnisse oft ohne Befund, im abgefüllten Gebinde kann die Inkubationszeit mehrere Wochen betragen. Bis man in der Brauerei durch die ersten Reklamationen auf ein mögliches Problem aufmerksam wird, können sich die Keime schon im gesamten Produktionsbereich etabliert haben.

Sekundärkontaminationen treten dagegen erst im Bereich der Abfüllung auf, bevorzugt im Umfeld des Füllers. Im nassen Milieu (mit Bierkontakt) können sich dort leicht Biofilme bilden. Teile von diesen Biofilmen können z. B. durch rotierende Maschinen in offene Flaschen geschleudert werden. Beispiele für solche Sekundärkontaminationen sind Lactobacillus brevis, L. casei, Pectinatus sp. oder Megasphaera sp.

 

Kulturhefen – Fremdhefen

Der Themenkomplex Schadhefen, wilde Hefen, Fremdhefen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, deshalb verweisen wir an dieser Stelle auf einen in BRAUWELT Nr. 10, 2020, S. 251-255 erschienenen Beitrag von Dr. Mathias Hutzler und Prof. Fritz Jacob vom Forschungszentrum Weihenstephan, TU München. Damit habt ihr einen Übersichtsartikel und ein Nachschlagewerk speziell bei Problemen mit Fremdhefen im Betrieb zur Hand.

Eine grobe Differenzierung von betriebsfremden Hefen kann bereits ein einfach ausgestattetes Brauereilabor mit gängigen Wachstumsmedien ohne große Umstände durchführen (Abb. 3). Für die mikrobiologische Betriebssicherheit kann man damit bereits wichtige Aussagen über das Schadpotential und die Bedeutung einer eventuellen Kontamination treffen. Für die genaue Identifizierung der Hefeart sind dann aber weitere biochemische und physiologische Tests erforderlich.

 

Einfacher Nachweis von Fremdhefen mit gängigen Nachweismedien
Abb. 3 Einfacher Nachweis von Fremdhefen mit gängigen Nachweismedien

 

Morphologie und Physiologie der bierschädlichen Bakterien

Anhand morphologischer Merkmale (Stäbchen oder Kokken) und des Gram-Verhaltens lassen sich bierschädliche Bakterien bereits unter dem Mikroskop einer ersten Einteilung unterwerfen. Weitergehende physiologische Tests helfen dann, die Arten weitgehend einzugrenzen. Abbildung 4 gibt einen Überblick über die morphologischen und physiologischen Unterscheidungsmerkmale der wichtigsten bierschädlichen Bakterien. In gut 70 Prozent der im Zeitraum von 1980 bis 2004 erfassten Reklamationen handelt es sich um Befall mit Lactobacillus-Arten. L. brevis und L. lindneri sind allein für etwa 60 Prozent der Reklamationen verantwortlich und verursachen Trübungen und Bodensätze im Bier. Durch pH-Wert-Absenkungen kann das Bier einen sauren Geschmack annehmen. Diacetyl bilden diese beiden Arten aber nicht. Weil die Zellen oft sehr klein sind, können sie unter Umständen auch durch die Filter verschleppt werden.

 

Einteilung der bierschädlichen Bakterien
Abb. 4 Einteilung der bierschädlichen Bakterien

 

L. backii, L. casei, L. coryniformis und L. plantarum bilden oft Ketten aus. Weil sie weniger tolerant gegenüber Hopfenbitterstoffen sind, kommen sie häufiger in schwächer gehopften Bieren wie z. B. Weißbieren vor. Sie bilden Diacetyl und verursachen damit deutliche Geschmacksfehler.

Ebenfalls häufig reklamiert wurden mit Pediococcus damnosus kontaminierte Biere (insgesamt knapp 20 % der Reklamationen). Dieser Keim ist an seiner charakteristischen Tetradenbildung zu erkennen. P. damnosus verursacht Trübungen und Bodensätze, bildet Diacetyl und senkt den pH-Wert.

Wegen Fortschritten in der heutzutage praktisch vollkommen sauerstofffreien Abfüllung sind mittlerweile auch Kontaminationen mit streng anaeroben Arten wie Pectinatus cerevisiphilus, P. frisingensis und Megasphaera cerevisiae zu verzeichnen. Diese Arten verursachen nicht nur Trübungen oder erhöhte Diacetyl-Gehalte, sondern stellen echte „Bierverderber“ dar. Bei ihren Hauptstoffwechselprodukten handelt es sich um organische Säuren wie Buttersäure, Capronsäure, Propionsäure, die im Produkt massive Geruchs- und Geschmacksfehler (Kloakengeruch) hervorrufen und es damit absolut ungenießbar (obwohl grundsätzlich gesundheitlich ungefährlich) machen. Diese Keime stellen ausnahmslos Sekundärkontaminationen im Flaschenkeller dar. Sie benötigen eine absolut sauerstofffreie Umgebung für ihr Wachstum und finden diese im Inneren von bereits etablierten Biofilmen.

 

Probennahme und Nachweis von Bierschädlingen

Grundlage für die Gewährleistung der mikrobiologischen Betriebssicherheit ist die kontinuierliche Kontrolle von Bier-, Spülwasser- und Hefeproben sowie die Kontrolle von Schwachstellen im Produktions- und Abfüllbereich mittels Abstrichproben.

Der Nachweis von bierschädlichen Bakterien kann zweckmäßigerweise und sehr einfach mit dem Nährmedium NBB („Nachweis von bierschädlichen Bakterien“) erfolgen. Das Medium bietet eine hohe Selektivität: Bierschädlinge wachsen gut im Medium an, während Betriebshefen weitgehend in ihrem Wachstum gehemmt werden. Für probenspezifische Nachweisverfahren steht das Medium als Agar („NBB-A“) für membranfiltrierte Bier- und Spülwasserproben, als Bouillon („NBB-B“) für Hefeproben und als Konzentrat („NBB-C“) für Unfiltrat und Hefebiere zur Verfügung. Mit NBB-C lassen sich die Bierschädlinge zudem durch unterschiedlichen Zusatz von Wasser und Luft sehr einfach in die Klassen obligat, potentiell und indirekt bierschädlich einordnen (Abb. 3).

 

Selektiver Nachweis der Schädlichkeitsklasse von bierschädlichen Bakterien
Abb. 5 Selektiver Nachweis der Schädlichkeitsklasse von bierschädlichen Bakterien

 

Schwachstellenanalyse

Die Schwachstellenanalyse im Flaschenkeller lässt sich unkompliziert in Probennahme und Kultivierung mit Steriltupfern durchführen. Produktionsmitarbeiter nehmen dazu an etwa 30 direkten und indirekten Kontaktflächen mit Bier (Sterne, Ventile, Hohlräume, etc.) Abstriche. Ein positives Ergebnis liegt bei Farbumschlag der Nährlösung nach drei Tagen Bebrütung vor. Eine mikroskopische Kontrolle der Ergebnisse ist zunächst nicht erforderlich, weil ein positiver Befund pauschal als Ausbildung eines relevanten Biofilms gewertet werden kann. Wöchentliche Wiederholung erlaubt es dem Betriebsleiter, den Hygienezustand im Abfüllbereich und vor allem die Effizienz von Reinigungsmaßnahmen jederzeit zu beurteilen. Die Auswertung in Kurvendiagrammen erlaubt die gezielte Einleitung von Reinigungsmaßnahmen bei Überschreiten eines bestimmten Anteils an positiven Befunden z. B. 20 oder 30 Prozent positiver Teströhrchen (Abb. 6). Um realistische biologische Verhältnisse aufzunehmen, sollte man die Abstriche während des üblichen Abfüllbetriebs nehmen, z. B. am Dienstag, dann kann die Auswertung bis zum folgenden Freitag erfolgen.

 

Schwachstellenanalyse mit Steriltupfern ist einfach durchführbar und liefert einfach auszuwertende Ergebnisse
Abb. 6 Schwachstellenanalyse mit Steriltupfern ist einfach durchführbar und liefert einfach auszuwertende Ergebnisse

 

Merkmale – Ursachen – Maßnahmen

In den drei Tabellen in diesem Beitrag bekommen Sie Hinweise auf mögliche Ursachen und Maßnahmen zur Beseitigung von verschiedenen mikrobiologischen Problemen an die Hand. Tabelle 1 behandelt sensorische Probleme, Tabelle 2 Probleme bei der Fermentation und Tabelle 3 Probleme beim Nachweis von Bierschädlingen.

 

Fazit

Weil Bier einen vergleichsweise guten Selbstschutz aufweist, sind nur Laktobazillen, Pediokokken, Pectinatus und Megasphaera als Bierschädlinge relevant. Krankheitserregende Keime können sich im Bier, hauptsächlich wegen des niedrigen pH-Werts, überhaupt nicht vermehren. Beim Nachweis von Bierschädlingen sind unter anderem Indikatorkeime, z. B. Essigsäurebakterien, von Bedeutung. Diese bereiten als Schleimbildner und Pioniere beim Wachstum von Biofilmen das Feld für weitere Mikroorganismen vor. Sie können sich im feuchten Umfeld des Flaschenkellers ansiedeln und dann durch Sekundärkontamination ins Bier gelangen.

Für die unkomplizierte Überwachung des betrieblichen Hygienezustands empfiehlt sich die kontinuierliche Schwachstellenanalyse mittels Steriltupfern.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine gekürzte Fassung des Kapitels „Mikrobiologie“ aus dem Buch Ausgewählte Kapitel der Brauereitechnologie, Werner Back (Herausgeber), erschienen bei uns im Fachverlag Hans Carl, 2008. Das Buch könnt ihr über unseren Online-Shop www.carllibri.com bestellen.