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Getränketrends gibt es viele, einen dauerhaften Platz in den Supermarktregalen und auf den Getränkekarten erobern sich nur wenige. Wie sich Hard Seltzer in Deutschland entwickelt, lässt sich so kurz nach dem Markteintritt noch nicht abschätzen. Der Lockdown hat sich sicherlich nicht positiv auf den Absatz ausgewirkt. In den USA gehen die Verkaufszahlen (nach einer mehrjährigen Anlaufphase) aber nun bereits durch die Decke. Grund genug, sich einmal genauer mit der Herstellung dieser neuen Getränkekategorie zu befassen.

 

Wie hältst du es mit dem Gesundheitsbewusstsein?

Hard Seltzer ist ein kohlensäurehaltiges Getränk, in der Regel mit ca. 5 Vol.-% Alkohol, kalorienarm, nahezu zucker- und glutenfrei. Ernährungsphysiologische Eigenschaften, die sicher mit eine Ursache des Erfolgs in den USA darstellen. In den meisten Fällen wird das relativ neutrale Produkt mit verschiedensten Aromen versetzt. Der Fantasie sind dabei (fast) keine Grenzen gesetzt [1]. Hard Seltzer – ein Getränk, das trotz Alkohol als Inhaltsstoff in gewissem Maße ein Gesundheitsbewusstsein suggerieren soll.

 

Globaler Markt für Hard Seltzer

Global betrachtet wird die Marktgröße von Hard Seltzer 2019 auf 4,4 Mrd USD geschätzt. Prognosen sagen eine jährliche Wachstumsrate von 16,2 Prozent voraus. Das entspricht 14,5 Mrd USD bis 2027 [2]. Diese Zahlen begründen sich in erster Linie aus den Wachstumsraten der USA, Aus­tralien und Südkorea. Die zollrechtliche Einordnung, bei der es besonders um die Frage geht, ob Produkte unter die sogenannte Alkopop-Steuer fallen, wird den Erfolg dieser Getränkekategorie hierzulande sicher maßgeblich mit beeinflussen. Matthias Nadolski und Daniel Schock haben diese Frage in BRAUWELT Nr. 43-44, 2020, S. 1164-1166 unter die Lupe genommen.

Das Potential von Hard Seltzer weckte zumindest das Interesse vieler Unternehmen: So plant beispielsweise der Coca-Cola-Konzern, mit einem Tochterunternehmen die Hard Seltzer-Produktion aufzunehmen und zum ersten Mal überhaupt in den Markt der alkoholhaltigen Getränke einzusteigen [3].

 

Die Herstellung von Hard Seltzer

Den schnellen Entwicklungen zur Platzierung von Hard Seltzer-Produkten auf dem Getränkemarkt stehen die verhältnismäßig geringen Erfahrungswerte zur Herstellung dieses relativ neuartigen Getränketyps gegenüber. Ein Grund für die Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V., sich in aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten den prozesstechnischen und analytischen Aspekten entlang des Herstellungsprozesses anzunehmen. In Fermentationsstudien sollte die Eignung von vier verschiedenen Saccharomyces-Hefen (Saccharomyces pastorianus (RH) sowie drei obergärige S. cerevisiae Nr. 111, Nr. 142 und CA) zur Herstellung von Hard Seltzer in einer Glukoselösung, versetzt mit unterschiedlichen Konzentrationen an Hefenährstoffen, untersucht werden.


 

Verläufe von Hard Seltzer-Fermentationen mit vier verschiedenen Brauhefen; A: pH-Wert-Verlauf; B: Glukoseverbrauch; C: Ethanolbildung; alle Fermentationsansätze beinhalteten 100 g/l Glukose und 0,6 g/l Hefenährstoffe
Abb. 1  Verläufe von Hard Seltzer-Fermentationen mit vier verschiedenen Brauhefen; A: pH-Wert-Verlauf; B: Glukoseverbrauch; C: Ethanolbildung; alle hier dargestellten Fermentationsansätze beinhalteten 100 g/l Glukose und 0,6 g/l Hefenährstoffe

Vergoren wurde jeweils eine Glukoselösung aus 100 g/l versetzt mit 0,1 g/l, 0,3 g/l und 0,6 g/l Hefenährstoffen bei 26 °C für sieben Tage. Bei den Hefenährstoffen handelt es sich jeweils um ein Gemisch aus hefeassimiliertem Stickstoff (lysierte Hefezellen), Diammoniumphosphat sowie weiteren relevanten Mineralstoffen und Vitaminen (insbesondere B-Vitamine). Prozessbegleitend wurden die Konzentration an Glukose und Ethanol über HPLC sowie der pH-Wert gemessen. Des Weiteren wurden die Gehalte an gebildeten Estern und höheren Alkoholen in Anlehnung an entsprechende EBC-Methoden gaschromatographisch bestimmt [4]. Nach sieben Tagen wurden die Gärprodukte zudem über ein Sensorik-Panel verkostet und charakterisiert.

 

Fermentationsergebnisse

Die Gegenüberstellung der Ansätze mit der höchsten Nährstoffzugabe von 0,6 g/l ist Abbildung 1 zu entnehmen. Es ist ersichtlich, dass der Hefestamm Nr. 142 den schnellsten Glukoseabbau, gepaart mit der zügigsten und höchsten Ethanolbildung, mit einer Konzentration von 41 g/l nach sieben Tagen, aufweist. Aufgrund der geringen Pufferkapazität der minimalistischen Getränkematrix konnte für alle Ansätze ein rascher pH-Abfall binnen 24 h beobachtet werden, welcher sich dann einheitlich bei einem Wert von 3,0 einpendelte (Abb. 1 A). Beim Hefestamm Nr. 142 fand ein vollständiger Abbau der Glukose statt, wobei bei allen anderen Stämmen die Gärung nach sieben Tagen noch nicht vollständig abgeschlossen war. So konnte beispielsweise beim Stamm Nr. 111 noch ein entsprechender Restzuckergehalt von 11,7 g/l gemessen werden.

 

Gärnebenprodukte haben Einfluss auf sensorische Bewertung

Fermentationen unter minimalistischen Nährstoffbedingungen und relativ hohen Temperaturen können die Bildung von schwefelhaltigen Komponenten begünstigen. Insbesondere im frischen Gärprodukt kann dies einen merklichen Einfluss auf die sensorische Bewertung haben. Die für den Gäransatz mit dem Hefe­stamm Nr. 142 geringe schwefelige und fuselige Note hat wesentlich zur guten Bewertung beigetragen (Abb. 2). Dieses Produkt erhielt die höchste Präferenz als Hard Seltzer, sei es als Basis für eine weitere Ausmischung oder für ein trinkfertiges Endprodukt. Es wird daher in den unten dargestellten Analysen näher betrachtet.

 

Sensorische Auswertung der mit vier verschiedenen Brauhefen hergestellten hard seltzer-Produkte; alle Fermentationsansätze beinhalteten 100 g/l Glukose und 0,6 g/l Hefenährstoffe; *Präferenz wird als Indikator für die mögliche Verwendbarkeit des Produktes aufgrund der Gesamtheit subjektiver sensorischer Eindrücke bewertet: 5 = stark ausgeprägt/hohe Präferenz; 1 = nicht ausgeprägt/geringe Präferenz
Abb. 2  Sensorische Auswertung der mit vier verschiedenen Brauhefen hergestellten Hard Seltzer-Produkte; alle Fermentationsansätze beinhalteten 100 g/l Glukose und 0,6 g/l Hefenährstoffe; *Präferenz wird als Indikator für die mögliche Verwendbarkeit des Produktes aufgrund der Gesamtheit subjektiver sensorischer Eindrücke bewertet: 5 = stark ausgeprägt/hohe Präferenz; 1 = nicht ausgeprägt/geringe Präferenz

 

Einen starken Gegensatz stellt die einzige untergärige Hefe RH unter diesen Fermentationsbedingungen dar, welche bei der untypischen Vergärungstemperatur von 26 °C die höchste Schwefelnote und den stärksten sauren Charakter aufwies. Folglich erhielt dieser Ansatz vom Verkostungspanel den geringsten Präferenzwert. Die sensorischen Bewertungen verdeutlichen den starken Einfluss der Hefe auf das Hard Seltzer-Getränk. Gerade bei einer einfachen Getränkematrix kann die Hefe einen gewissen Spielraum für die Herstellung des „jungen“ Produktes schaffen.

 

Einfluss der Nährstoffkonzentra­tion auf den Gärverlauf

Der Einfluss der Nährstoffkonzentrationen auf den Fermentationsverlauf und das Endprodukt sind in Abbildung 3 exemplarisch für die Gärungen des Hefestamms Nr. 142 dargestellt. Anhand der Glukoseabnahme und der Ethanolbildung ist die Zunahme der Fermentationsgeschwindigkeit mit steigender Nährstoffkonzentration zu erkennen. Auch wenn nach sieben Tagen bei den Ansätzen mit 0,3 g/l und 0,6 g/l die Glukose nahezu vollständig verbraucht war und annähernd identische Konzentrationen an Ethanol im Bereich von 40–41 g/l vorlagen, zeigte sich mit 0,6 g/l Nährstoffen ein wesentlich schnellerer Gärverlauf. Der Ansatz mit 0,1 g/l Nährstoff verlief dagegen verzögert. Hier lagen nach sieben Tagen noch 22 g/l Glukose und mit 32 g/l auch eine wesentlich niedrigere Alkoholkonzentration vor.

 

Abb. 3 Verläufe einer siebentägigen hard seltzer-Fermentation mit der Hefe Nr. 142 unter Verwendung von 0,1, 0,3 und 0,6 g/l Hefenährstoff; A: pH-Wert-Verlauf; B: Glukoseverbrauch; C: Ethanolbildung
Abb. 3 Verläufe einer siebentägigen Hard Seltzer-Fermentation mit der Hefe Nr. 142 unter Verwendung von 0,1, 0,3 und 0,6 g/l Hefenährstoff; A: pH-Wert-Verlauf; B: Glukoseverbrauch; C: Ethanolbildung

 

Die gaschromatographisch bestimmten Gärnebenprodukte für die Hefe Nr. 142 bei unterschiedlich eingesetzten Nährstoffkonzentrationen sind in Abbildung 4 A dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Acetaldehydbildung bei 0,6 g/l Nährstoffeinsatz deutlich erhöht war. Ein leicht entgegengesetzter Trend zeigt sich bei der Bildung von 3-Methyl-1-Butanol. Beide Gehalte liegen oberhalb der wahrnehmbaren Schwellenwerte, sodass trotz möglicher Maskierungseffekte davon ausgegangen werden kann, dass diese Verbindungen die sensorische Bewertung beeinflussen.

 

Abb. 4 Vergleich relevanter Gärungsnebenprodukte (A) sowie beschreibende sensorische Auswertung (B) der mit der Hefe Nr. 142 hergestellten hard seltzer-Produkte bei unterschiedlichen Nährstoffkonzentrationen; *Präferenz wird als Indikator für die mögliche Verwendbarkeit des Produktes aufgrund subjektiver sensorischer Eindrücke bewertet; 5 = stark ausgeprägt/hohe Präferenz; 1 = nicht ausgeprägt/geringe Präferenz
Abb. 4 Vergleich relevanter Gärungsnebenprodukte (A) sowie beschreibende sensorische Auswertung (B) der mit der Hefe Nr. 142 hergestellten Hard Seltzer-Produkte bei unterschiedlichen Nährstoffkonzentrationen; *Präferenz wird als Indikator für die mögliche Verwendbarkeit des Produktes aufgrund subjektiver sensorischer Eindrücke bewertet; 5 = stark ausgeprägt/hohe Präferenz; 1 = nicht ausgeprägt/geringe Präferenz

 

Restzuckergehalt?

Bei der sensorischen Bewertung fiel auf, dass der Ansatz mit nur 0,1 g/l Nährstoffen, vermutlich dank einer leichten Süße in Kombination mit einem geringeren alkoholischen Eindruck, eine höhere Präferenz aufwies als der Ansatz mit 0,6 g/l (Abb. 4 B).

Dieses Ergebnis wirft eine grundsätzliche Frage auf: Welche Spezifikationen sollte ein Hard Seltzer-Getränk erfüllen bzw. welche Erwartung stellen die Konsumenten an das Produkt? Aus Sicht des Herstellers stellen sich zwei Ansätze dar: Er kann ein Hard Seltzer als möglichst neutrale Basis herstellen, der er im Nachgang Aromen hinzufügt. Oder ein trinkfertiges Getränk produzieren, das er mit Attributen wie natürlich und unverfälscht bewerben kann.

Interessant wird in zukünftigen Untersuchungen zu sehen sein, wieweit die Analytik der Inhaltsstoffe mit der Präferenz in der Sensorik korreliert und welche Auswirkungen die Synergieeffekte, u. a. mit dem Restzuckergehalt, haben.

 

Aktivkohlebehandlung zur Entfärbung

Durch Abzentrifugieren der sonst unbehandelten Proben konnte die in den Ansätzen enthaltenen Hefen gut abgetrennt werden. Trotzdem wiesen die Produkte eine leichte Gelbfärbung aufgrund der zugesetzten Nährstoffe auf. Als praxisrelevante Nachbehandlung bei der Herstellung von Hard Seltzer ist die Aktivkohlebehandlung zu betrachten. Daher wurde zusätzlich geprüft, welche Auswirkungen diese auf die Produktcharakteristik hat. Dazu wurde ein Teil der Produkte für 16 h bei 10 °C mit einem Aktivkohle-Kieselgur-Gemisch unter Rührung inkubiert, die Partikel mittels Zentrifugation abgetrennt und der Überstand für weitere Analysen verwendet.

Erwartungsgemäß konnte eine Entfärbung der behandelten Produkte beobachtet werden. Sensorisch wurden die Produkte als schlanker bewertet, und es hat sich eine vereinzelnd leicht gesteigerte Präferenz der behandelten Produkte herauskristallisiert – in erster Linie begründet durch die geringere Aromenintensität. Sicher ist auch hier der Einsatz abhängig von der gewünschten Charakteristik des Endproduktes und davon, ob weitere Nachbehandlungen, z. B. Zentrifugation oder Filtration zur Entfernung der Hefen und Partikel, praktisch umsetzbar sind.

 

Alkopop-Klassifizierung von der Produktionsweise abhängig

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das „neue“ Trendgetränk Hard Seltzer, wie schon in den USA zu sehen ist, ein großes Potential besitzt. Der deutsche Zoll beobachtet nach eigenen Angaben den Markt weiterhin genau. Er verweist darauf, dass die Klassifizierung eines Hard Seltzers als Alkopop von der Produktionsweise abhängig ist. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass bei einer Herstellung, die ohne eine Mischung der alkoholischen Komponente mit Mineralwasser (beziehungsweise anderen alkoholfreien Getränken) auskommt, die gesetzliche Definition eines Alkopops nicht erfüllt wäre [5].

 

Gärung unter Minimal­bedingungen

Aktuelle Studien an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin zeigen, dass solch eine Herstellung grundlegend möglich ist. Durch die Auswahl der Hefe sowie Variation der Gärungsbedingungen ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für Hersteller, um je nach Bedarf die alkoholische Ausgangsbasis für aromatisierte Getränke oder auch trinkfertige Produkte mit entsprechendem Alkoholgehalt zu entwickeln. Da schon geringe Konzentrationen an flüchtigen organischen Schwefelkomponenten einen großen Einfluss auf die Präferenz der Produkte haben, sollte deren Bildung grundsätzlich vermieden werden. Hier kommt der Hefe und deren Eignung, unter minimalistischen Nährstoffbedingungen zu fermentieren, eine besondere Rolle zu. Die Weiterentwicklung entsprechender Fermentationsverfahren unter Nutzung geeigneter Hefestämme, Identifizierung entsprechender Steuergrößen sowie die Einflussnahme der Lagerung auf die Produktcharakteristik, sind daher Teil aktueller F&E Aktivitäten.

 

Danksagung der Autoren

An dieser Stelle danken wir allen beteiligten VLB-Mitarbeitern für die konstruktiven Impulse sowie unterstützende Arbeiten. Danke an Sarah Köhler, Heiko Woest und Marie Ludzuweit.

 

Quellen

1. Lewis, A.: Hard Seltzer Made Easy, URL: https://byo.com/article/hard-seltzer-made-easy/.
2. Hard Seltzer Market Size & Share, Industry Report, 2020-2027, URL: https://www.grandviewresearch.com/industry-analysis/hard-seltzer-market.
3. Arthur, R.: Coca-Cola lines up hard seltzer and cola-coffee launches: ‘We’re committed to exploring new products in dynamic beverage categories’, URL: https://www.beveragedaily.com/Arti cle/2020/08/03/Coca-Cola-to-launch-hard-seltzer-and-Coca-Cola-With-Cof fee.
4. Anger, H.-M. (ed.): Brautechnische Analysenmethoden: Methodensammlung d. Mitteleuropäischen Brautechnischen Analysenkommission (MEBAK), 2. Aufl., MEBAK, Freising-Weihenstephan, 2016.
5. Verbrauchsteuerrechtliche Bewertung des Getränks „Hard Seltzer“, URL: https://www.zoll.de/SharedDocs/Fachmeldungen/Aktuelle-Einzelmeldungen/2020/vst_hard_seltzer.html (24 September 2020).

 

Das sagst du!

Dieser Artikel basiert auf dem in BRAUWELT Nr. 45, 2020, S. 1197-1200 erschienenen Beitrag. Was sind deine Erfahrungen mit Hard Seltzer, falls du bereits welche gemacht hast? Ein prima Getränk, um sich in kürzester Zeit gesundheitsbewusst einen Rausch anzutrinken? Zu teuer? Dir ist ein schönes kühles Bier lieber? Wir freuen uns auf deine Kommentare und Anregungen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.