Know-How


	
						
	
	

				
			

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Ist ein Sensorikpanel als „Analysengerät“ zur Überprüfung der Spirituosenqualität geeignet? Kann eine gezielte Schulung des Panels auf holzbürtige Substanzen, Schlüsselaromastoffe, Spirituosenfarbe und Whiskyfehler die Laboranalyse einzelner Stoffe unterstützen, gar ersetzen? Wo liegen die Grenzen? Nach den Grundlagen der Holzfassreifung in Teil 1 und den Laboranalysen holzfassgereifter Spirituosen in Teil 2 betrachten die Autoren nun, welche Aufgaben der Mensch als Messinstrument bei der Sensorik von Spirituosen übernehmen kann.

Der Verzehr von Genussmitteln wie Spirituosen wird vom Aussehen, dem Geruch und dem Geschmack sowie von der Textur der Produkte beeinflusst. Nur wenn die Merkmale im Einklang mit der Konsumentenerwartung stehen, wird das Produkt langfristig akzeptiert. Mit der Analyse dieser Merkmale beschäftigt sich die Sensorik.

Der Mensch kann für die Beurteilung von Lebensmitteln verschiedene Sinne (Geruchs-, Geschmacks-, Tast-, Schmerz-, Seh- und Gehörsinn) nutzen. Die vorliegende Studie untersucht, wie der Mensch als Messinstrument zur Charakterisierung von holzfassgereiften Spirituosen eingesetzt werden kann. Und zeigt auch die Grenzen eines solchen Sensorikpanels auf.

 

Panelschulung

Ein Panel aus 17 trainierten Sensorikern und Lebensmittelprüfpersonen (5 weiblich, im Alter von 25 – 50 Jahren; 12 männlich, im Alter von 27 – 55 Jahren) wurde wöchentlich über drei Monate in elf Schulungen auf Spirituosenfarbe, Aromen sowie Fehl- und Holzaromen geschult. Der Prüfraum und die Prüfkabinen erfüllten die Anforderungen der DIN EN ISO 8589. Für Verkostungen wurden 17 cl Klarglas Nosing Gläser mit Glasdeckel verwendet. Die Dateneingabe erfolgte digital in der Prüfkabine.

 

Farberkennung

In insgesamt elf Schulungen wurde den Prüfpersonen eine 16-stufige Farbskala auf Zuckercouleurbasis nahegebracht (s. Abb. 1). Abbildung 2 zeigt eine Übersicht der in den Schulungen erkannten Farbproben am Beispiel C3. Die Erkennungsraten der Farbtöne am oberen und unteren Ende der Skala fielen hoch aus. Es wurde beobachtet, dass nahezu alle Prüfpersonen als Vorbereitung die ungeordneten Farbproben in Reihenfolge brachten. Hieraus ergibt sich, dass Farbproben am Rand der Skala leichter zu identifizieren sind als die mittlere Fraktion. Mit Ausnahme von M5 (Bernstein) ist für alle Farbwerte eine Verbesserung über die Schulungen zu verzeichnen.

 

mit Zuckercouleur gefärbte Proben als Farbskala zur Schulung der Farbe holzfassgelagerter Spirituosen
Abb. 1  Farbskala zur Schulung der Farbe holzfassgelagerter Spirituosen, Konzentrationsreihe hergestellt mittels Zuckercouleur (links: 3 helle Farbwerte C1–C3 (clear), Mitte: 10 mittlere Farbwerte: M1–M10 (medium), rechts, 3 dunkle Farbwerte D1–D3 (dark)

 

Gerade in diesem mittleren Farbbereich jedoch lassen sich oft die Farben einer Spirituose wie beispielsweise Whisky einordnen. Um die Leistungsfähigkeit eines Panels zu erhöhen, bedarf es hier intensiverer Schulungen.

 

Grafische Übersicht über erkannte Farbproben in den Schulungen für Farbe
Abb. 2  Übersicht über in den Schulungen für Farbe erkannte Farbproben

 

Aromastoffe

Eine Auswahl relevanter Aromastoffe wurde auf Basis von Scotch Whisky-Deskriptoren und Referenzverbindungen getroffen:

  • grasig wurde mit 3-cis-Hexenol;
  • ölig/seifig mit 1-Heptanol und Laurinsäureethylester;
  • honigartig/rosig durch Phenylethanal;
  • fleischig durch Methyl-(2-methyl-3-furyl)disulfid;
  • nussig durch Whiskylacton und Dimethylpyrazin;
  • nelkig durch Eugenol und Isoeugenol;
  • rauchig/torfig durch m-Cresol, p-Cresol und Guajacol repräsentiert.

Zusätzlich gelten Maltol, Furfural und vor allem das Vanillin als holzbürtige Aromen, die hier geschult wurden.

Zusammengefasst war ein Großteil der Prüfpersonen nach Vorstellung und Schulung in der Lage, die Auswahl an Aromastoffen zu identifizieren, wobei im Mittel eine Verbesserung in späteren Schulungen verzeichnet wurde.

Um die sensorische Identifikation in einer Spirituosenmatrix zu schulen, wurden Dreieckstests in einem Whisky durchgeführt. Die abweichenden Proben enthielten Whiskylacton (1 g/l), Eugenol (10 mg/l), Maltol (100 mg/l) und Süßstoff (Verhältnis Cyclamat : Saccharin 4 : 1, äquivalent zu 4,4 g/l Saccharose). Die abweichenden Proben wurden von einer großen Teilnehmerzahl identifiziert. Obwohl sich die Eindrücke mancher geschulten Aromastoffe teilweise überschneiden, hat das Panel für Spirituosen wichtige Geruchseindrücke erlernt.

Neben den definierten Aromastoffen fanden Schulungen mit getoastetem Holz statt, die viele unterschiedliche Aromen enthalten, wobei deren Gehalt stark vom Toastinggrad abhängt. Der komplexe Aromaeindruck ist nur schwer auf einzelne Aromastoffe reduzierbar. Um den Gesamteindruck des Holzes in Abhängigkeit seines Toastinggrades zu schulen, wurden mit einer ethanolischen Lösung befeuchtete Hölzer genutzt. Anhand des Geruches ordnete das Panel jeweils drei Proben unterschiedlichen Toastinggrades nach dessen Intensität. Eine Übersicht hierüber gibt Abbildung 3. Die Erkennungsrate des Panels war mit ca. 70 – 80 Prozent durchweg hoch. Das Panel war in der Lage, die Intensität des Toastings anhand des Geruches richtig einzuschätzen. Eine intensivere Schulung auf einzelne aus dem Holz stammende Stoffe wurde weiterhin durchgeführt.

 

Säulendiagramm: von Sensorikpanel über Geruch richtig identifizierter Toastinggrad von Eichenholz
Abb. 3  Durch ein Sensorikpanel (n = 12) über Geruch richtig identifizierter Toastinggrad von französischem Eichenholz

 

Rangordnungsprüfung mit Whiskyproben

Die erlernten Kenntnisse sollten auch in Spirituosen angewandt werden. Zunächst wurden die Prüfpersonen für die holzbürtigen Aromastoffe Whiskylacton, Eugenol und Vanillin sowie für Guajacol sensibilisiert. Hierfür wurde die Methode der Rangordnungsprüfung gewählt. Nach dem Sortieren von Whisky, der mit dem jeweiligen Aromastoff in unterschiedlichen Konzentrationen versetzt war, sollten zwei unbekannte Proben eingeschätzt werden. Vor allem das Potential der Personen, die vorgelegten Konzentrationsreihen von Whiskylacton und Eugenol in Reihe zu bringen, wird als hoch eingeschätzt (s. Abb. 4).

 

Grafische Dichtedarstellung der Ergebnisse der Rangordnungsprüfungen von Whisky versetzt mit Whiskylacton
Abb. 4  Dichtedarstellung der Ergebnisse von Rangordnungsprüfungen (gedachte Stufe) über der richtigen Rangordnung (wirkliche Stufe) von Whisky versetzt mit Whiskylacton (0; 25; 50; 100; 200 mg/l; n = 2×13); eine höhere Dichte wird durch dunklere Farben dargestellt. Der wirklichen Konzentrationsstufe (Abszisse) wird durch die Rangordnung der Prüfpersonen ein Rang (Ordinate) zugeordnet, je höher die Dichte auf der Diagonalen y=x, desto höher der Grad richtiger Rangordnungen, je uniformer die Dichte, desto höher der Grad falscher Rangordnungen

 

Nach der direkten Auflösung der richtigen Reihenfolge schätzten die Prüfpersonen die Konzentrationen der zwei Aromastoffe in den Whiskyproben. Die Proben, deren Konzentration jeweils am Rand der Skala lag (0 mg/l Whiskylacton und 500 mg/l Eugenol), wurden schlecht eingeschätzt. Gleiches gilt für die Vanillinprobe niedriger Konzentration. Für alle anderen Untersuchungen liegt die tatsächliche Konzentration im 95 Prozent-Konfidenzintervall des Mittelwerts der Schätzungen. Die Streuung der Schätzungen ist für Whiskylacton und Guajacol niedrig, für Vanillin hoch. Die Untersuchung zeigt, dass die kollektive Einschätzung des Panels im richtigen Konzentrationsbereich der vier Schlüsselaromastoffe liegt. Dennoch leidet die Panelleistungsfähigkeit an der großen Streuung der Schätzungen. Nichtsdestotrotz umfasst das 95 %-Konfidenzintervall der kollektiven Schätzung meistens die tatsächliche Konzentration.

 

Abgleich Geräteanalytik und Sensorik

Im Anschluss an die Schulungen des Panels fanden verschiedene Abgleiche mit der Analytik statt, um die Leistungsfähigkeit des Panels zu ermitteln. Die photometrische Analyse der Spirituosenfarbe könnte durch ein gut geschultes Panel substituiert werden, wie diese Untersuchung zeigt. Die Prüfpersonen untersuchten acht kommerzielle Whiskys und die Holzextrakte des Probenahmetages 105. Die mittels Farbwertbewertung und Ähnlichkeitsbewertung durch das Panel prognostizierten Extinktionen wurden mit den tatsächlich gemessenen Extinktionen verglichen (s. Abb. 5). Die prognostizierte und gemessene Farbe korrelierte mit R2 > 0,90 sehr stark. Eine Verbesserung der Korrelation bei einer zweiten und dritten Bewertung der Proben ist feststellbar. Dem Panel gelang es eher, die unterschiedlich gefärbten Holzextrakte farblich einzuschätzen als die uniform gefärbten kommerziellen Whiskys. Die Untersuchung zeigt, dass ein ausreichend trainiertes Panel mithilfe der vorgestellten Skala die photometrisch definierte Farbe sowohl von Holzextrakten als auch von Spirituosen (mit Zuckercouleur gefärbt) richtig einschätzen kann. Neben den optischen Eigenschaften von Spirituosen wurde weiterhin versucht, gustatorische Whisky-Eigenschaften mit der Quantifizierung von Schlüsselaromastoffen zu vergleichen.

 

Grafische Darstellung der Korrelation photometrisch gemessener und sensorisch prognostizierter Farbe
Abb. 5  Korrelation photometrisch gemessener und sensorisch prognostizierter Farbe an Praxismustern

 

Basis für den Abgleich der in Whiskys quantifizierten Aromen waren – neben den Schulungen – die Sensibilisierung für bestimmte Schlüsselaromastoffe und eine anfängliche Auseinandersetzung mit dem erarbeiteten Sensorikschema. Die Ergebnisse der quantitativ deskriptiven Analysen (QDA) können mit der Quantifizierung durch analytische Methoden verglichen werden.

 

Stärken und Schwächen des Panels

Insgesamt wurden acht kommerzielle Whiskys zum Teil mehrfach bewertet (Beispiel s. Abb. 6). Das Panel bewertete vier Whiskys zu Beginn und zum Ende der Schulungsreihe. In der zweiten Bewertung orientiert sich das Panel stark am unteren Rand der Skala. Die Vanillenote beispielsweise wurde für jeden der vier Whiskys abgestuft. Die Bewertungen in der QDA am Ende der Schulungsreihe sind im Mittel signifikant (p < 0,05) geringer. Die Reproduzierbarkeit der Bewertungen wird hier allgemein als gering eingestuft. Das für die QDA am Ende der Schulungsreihe hinzugefügte Attribut „holzig“ wurde für alle Whiskys im Vergleich zu anderen Attributen mit 2,1 ± 0,2 hoch bewertet. Hieraus kann vermutet werden, dass es den Prüfpersonen nicht leichtfällt, die holzige Note einzelnen Attributen zuzuordnen. Die Attribute des QDA-Schemas können zum Teil dem Aromaeindruck von einzelnen Stoffen entsprechen. So werden die mittels HS-SPME-GC-MS quantifizierten Ester einer fruchtigen Note zugeordnet. Guajacol, die Cresole, 4-Methyl-2-methoxyphenol und 2,6-Dimethoxyphenol werden als rauchig wahrgenommen. Zu einem holzigen Aromaeindruck können Whiskylacton, aber auch Isoeugenol beitragen. Der Hauptträger des Vanillearomas ist Vanillin. Ein gewürzartiges Aroma wird unter anderem durch Eugenol und Isoeugenol ausgelöst, die an Gewürznelke erinnern.

 

Spinnengrafik einer quantitativ deskriptiven Analyse eines Blended Scotch Whisky
Abb. 6  Beispiel einer quantitativ deskriptiven Analyse (QDA) eines Blended Scotch Whisky, Verkosteranzahl (n = 16)

 

Das Panel hat in vorausgegangenen Prüfungen bereits bewiesen, dass es in der Lage ist, hohe Konzentrationen von Whiskylacton in der Spirituosenmatrix richtig einzuordnen und zu bewerten. Beim Vergleich zwischen dem in der QDA kommerzieller Whiskys aufgenommenen Aromaeindruck nach Holz und der Konzentration von Whiskylacton bestätigt sich dies. Eine hohe statistische Korrelation von etwa 0,94 zeigt die Wechselwirkung zwischen sensorischem Eindruck und Schlüsselaromastoff. Die Beurteilung der Whiskys für das Attribut „fruchtig“ stellt jedoch kein direktes Abbild der Summe der Konzentrationen von Ethyloctanoat und Ethyldecanoat dar. Der fruchtige Eindruck wird für drei Whiskys uniform wahrgenommen. Gerade bei dem Whisky, bei dem das Panel eine weniger ausgeprägte Fruchtnote bewertet hat, ist die Konzentration beider Ester jedoch höher. Aus einer Summierung der Flächenverhältnisse aller mittels HS-SPME-GC-MS erfassten Ester verglichen mit dem fruchtigen Eindruck resultierte ein ähnliches Bild (Daten nicht dargestellt).

Zusammenfassend konnte ein Zusammenhang zwischen dem sensorisch wahrgenommenen Eindruck des Panels einer holzigen sowie einer rauchigen Note und den entsprechenden Schlüsselaromastoffen Whiskylacton sowie m-Cresol und p-Cresol beobachtet werden. Eine Wechselwirkung zwischen Estergehalt und Fruchtigkeit, Vanillingehalt und Vanillenote sowie Eugenol und Isoeugenol und an diese Stoffe gekoppelte Aromaeindrücke wurde nicht erkannt. Dies zeigt, dass der menschliche sensorische Apparat grundsätzlich in der Lage ist, die Intensität von Schlüsselaromastoffen einzuschätzen. Um über diese qualitativen Aussagen hinausgehende Schlussfolgerungen zu ziehen, bedarf es jedoch eines sehr gut geschulten Panels, dessen Fähigkeiten regelmäßig überprüft werden.

 

Ausblick

Für ein besseres Verständnis der Spirituosenreifung in Holzfässern ist die Kenntnis über den Lignin-Abbau und dessen Oxidationsprodukte notwendig. Die Erfassung der aromatischen Komponenten durch die vorgestellten Methoden stellt die Grundlage zur Überprüfung der Reifung holzfassgelagerter Spirituosen dar. Durch ein leistungsfähiges Sensorikpanel kann zudem die Spirituosenanalytik ergänzt werden. Mithilfe effektiver analytischer und sensorischer Methoden werden in Zukunft unerschlossene Bereiche der Spirituosenforschung greifbarer. Letztlich können fortgeschrittene Kenntnisse der Fassreifung die Spirituosenlagerung nachhaltig beeinflussen und ermöglichen ein gezieltes Regulieren der Produktqualität.