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Klima und Ökologie stehen im Fokus von Politik und Gesellschaft. Deshalb ist es auch für Brauereien angebracht, ihre ökologischen Belastungen zu reduzieren. Ein möglicher Ansatzpunkt: Verwendung von Grünmalz. Beim belgischen Malzhersteller Castle Malting in Beloeil forscht man seit vielen Jahren an Wegen, um Grünmalz optimal einzusetzen. Unser Autor Gil Leclercq zeigt auf, wie Brauereien durch Einsatz von Grünmalz nicht nur Energie einsparen können, sondern auch den besonderen Enzym-Kick in die Maische bringen.

Auch Castle Malting stellt seine Malze ganz traditionell her: Die Zugabe von Wasser beim Einweichen initiiert die Keimung der Getreidekörner. Bei der Keimung im Keimkasten entstehen dann die Enzyme, die für die Verzuckerung beim Bierbrauen zuständig sind. Schließlich macht man das Produkt nach einer Phase von etwa fünf bis sieben Keimtagen lagerfähig, indem man es (unter hohem Einergieeinsatz) darrt, also trocknet. Dabei gewinnen die Malzkörner Farbe und Aroma, je nach Darrtemperatur.

 

Was ist Grünmalz?

Mit Grünmalz sind gekeimte Getreidekörner am Ende der Keimungsphase gemeint (Abb. 1). An diesem Punkt hat auch die enzymatische Kraft der Körner ihr Maximum erreicht. Anders gesagt: Bereits mit Grünmalz lässt sich prima einmaischen. Die Untersuchungen von Castle Malting zeigen, dass es möglich ist, Qualitätsbiere herzustellen, indem man einen Teil des Basismalzes, z.B. bei Pils, durch Grünmalz ersetzt. Doch welche Vorteile bekommt der Brauer? Und welche Herausforderungen stellen sich?

 

Nach Abschluss der Keimung besitzen die Grünmalz-Körner ihre höchste Enzymkraft
Abb. 1 Nach Abschluss der Keimung besitzen die Grünmalz-Körner ihre höchste Enzymkraft

 

Die Vorteile beim Einsatz von Grünmalz

Darren ist ein energieintensiver Vorgang und beansprucht allein ca. 70 Prozent der für den gesamten Mälzungsprozess erforderlichen Energie. Dennoch ist dieser Energieaufwand theoretisch nutzlos, da die beim Darren reduzierte Feuchtigkeit zum Brauen wieder zugeführt wird (Abb. 2).

 

Abb. 2 Etwa 70 Prozent des Energieaufwands beim Mälzen fällt beim Darren an
Abb. 2 Etwa 70 Prozent des Energieaufwands beim Mälzen fällt beim Darren an

 

Natürlich bleibt das Darren unerlässlich. Wir benötigen weiterhin Malz, das dem Bier Farbe und Geschmack verleiht. Und wir benötigen weiterhin Spezialmalze, um die Verwendung des Grünmalzes zu kompensieren. Aber man kann den CO2-Ausstoß schon verringern, indem man nur ein Teil des Malzes (beispielsweise 30%) bei bestimmten Bieren durch Grünmalz ersetzt.

Warum ist das für die Brauer so relevant? Weil für immer mehr Verbraucher eine umweltfreundliche, Achtung Modewort: „nachhaltige”, Produktherstellung höchst relevant ist. Das zeigt schon die Entwicklung der Biobiere im letzten Jahrzehnt. Neben den Umweltaspekten kann es offensichtlich für das Marketing der Brauereien von hohem Interesse sein, den Verkauf auf umweltbewusste Verbraucher auszurichten.

 

Auswirkungen auf die Produktionskosten

Das Darren im Malzprozess verursacht Kosten: Die Energiekosten dafür können rund 45 EUR pro Tonne Malz betragen. Hinzu kommen die Arbeitskosten für diese Stufe, die abhängig von der Art des Darrprozesses in der Mälzerei variieren. Grob überschlagen: Für einen Brauer, der 10 000 hl im Jahr mit geschätzt 22 kg pro Hektoliter produziert, kann dies eine jährliche Einsparung von bis zu 9900 EUR bedeuten. Hier sind Arbeitskosten noch nicht berücksichtigt.

 

Der Kick durch Enzyme

Durch die Verwendung von Grünmalz in Brauereien kann man nicht nur mit Energieeinsparungen und wirtschaftlichen Gewinnen rechnen. Auch das enzymatische Potential der Körner kann man wirksam bewahren. Beim Darren reduziert sich beispielsweise die Aktivität der besonders wärmeempfindlichen Beta-Amylase um bis zu 60 Prozent [2].

In manchen Fällen können Brauereien von der Grünmalznutzung besonders profitieren.

In Kombination mit Basismalzen (z.B. Pilsner, Pale Ale, Wiener Malze): Für Brauereien ist die Extraktionsausbeute von Zuckern besonders wichtig. Diese Ausbeute hängt von der enzymatischen Kraft der Basismalze ab. Die Zugabe von Grünmalz kann die Erträge auf natürliche Weise steigern, wie dies nur außerhalb des Reinheitsgebots durch den Zusatz von Pilzenzymen möglich ist.

Kombiniert mit unzureichend modifizierten Malzen: Es kann beispielsweise vorkommen, dass einige Malzchargen aus Gründen der Qualität der Gerste und der beim Mälzen verwendeten Parameter einen relativ hohen Gehalt an Beta-Glucan (> 250 mg/l) in der Maische aufweisen. Die Verwendung solcher Malze kann zu ernsthaften Filtrationsproblemen führen. In diesem Fall würde die Zugabe des an Beta-Glucanasen reichen Grünmalzes den Beta-Glucan-Gehalt in der Maische verringern und somit Filtrationsprobleme vermeiden.

 

Abb. 3 Auch bei der Filtrierbarkeit der Maische kann Grünmalz Punkte sammeln
Abb. 3 Auch bei der Filtrierbarkeit der Maische kann Grünmalz Punkte sammeln

 

Kombiniert mit Rohgetreide

Das Einbringen von (ungemälztem) Rohgetreide in den Brauvorgang erfolgt immer in einer sehr begrenzten Menge, da die diastatische Kraft der Basismalze das Fehlen von Enzymen im Rohgetreide ausgleichen muss. Andernfalls wäre die Extraktmenge sehr gering. Durch Grünmalz kann der Anteil an Rohgetreide bei gleichzeitig hervorragender Filtrierbarkeit erhöht werden. In einem von Castle Malting geleiteten Forschungsprojekt war die Filtrierbarkeit von Maische doppelt so effizient, nachdem 20 Prozent des Pilsener Malzes im Getreiderezept durch Grünmalz ersetzt wurden (Abb. 3). Es überrascht, dass ein solcher Ansatz durch die großen Brauereien, die außerhalb des Reinheitsgebots tätig sind, nicht näher untersucht worden zu sein scheint, wo man doch im Allgemeinen versucht, die eigenen Produktionskosten zu senken, indem man einen Teil des Malzes durch Rohgetreide ersetzt. Für Brauer, die an (möglicherweise ungemälztem) Getreide aus der Region interessiert sind, könnte dieser Ansatz ebenfalls interessant sein.

 

Herausforderungen beim Schroten

Einer der Vorteile des Darrens besteht darin, dass das Malz so die erforderliche mürbe Konsistenz bekommt, wodurch es für den Brauer leichter zu mahlen ist. Die meisten handelsüblichen Mühlen können aber Grünmalz wegen seines hohen Feuchtigkeitsgehalts (± 42%) nicht verarbeiten, weil sich eine dicke Paste bildet, die wahrscheinlich die Mühlen verstopfen würde. Eine Nassvermahlung hilft, dieses Problem zu überwinden. Vor ungefähr zwei Jahrzehnten hat Meura, Péruwelz/Belgien, in Zusammenarbeit mit Castle Malting in einem Forschungsprojekt die Hydromill zum Nassmahlen von Grünmalz entwickelt [3].

 

Das Problem der Lagerfähigkeit

Grünmalz ist ein lebendiges und eher instabiles Produkt. Aufgrund seines hohen Feuchtigkeitsgehalts eignet es sich nur sehr eingeschränkt zur Lagerung. Es ist ein ideales Medium für die Entwicklung vieler Bakterien und Schimmelpilze. Im Wesentlichen gibt es vier Ansätze, um dieses Problem anzugehen:

  • Man passt die Bedingungen für Lagerung und Verpackung an. Eine kalte und trockene Lagerung verlangsamt die Keimung und stabilisiert die enzymatische Aktivität.
  • Grünmalz lässt sich in ein anderes Produkt mit längerer Haltbarkeit umwandeln, beispielsweise Sirup mit 70-80 °P oder sprühgetrockneten Pulverextrakt.
  • Grünmalz kann in Anteilen von 10 bis 20 Prozent mit gedarrten Malzen oder mit Rohgetreide vermischt werden. Der Feuchtigkeitsgehalt der Mischung ermöglicht eine längere Lagerung als Grünmalz allein.
  • Schließlich könnte man grünes Malz auch sofort weiterverarbeiten, um eine ansonsten erforderliche Konservierung zu vermeiden. Dies betrifft die Verwendung von Grünmalz in großem Maße bei Brauereien, die sich in der Nähe von Malzfabriken befinden und wo die Produktionszyklen synchronisiert werden können.

 

Fehlaromen, Aussehen und Schalwerden

Im Vergleich zu gedarrtem Malz kann es einige unerwünschte Stoffe bei der Verwendung von größeren Mengen an Grünmalz geben. Diese Verbindungen können sich durch Fehlaromen, auf das Aussehen und das Schalwerden des Bieres auswirken. Beispiele hierfür sind:

  • Das Darren verringert normalerweise Vorstufen von Dimethylsulfid (DMS). Das Brauen mit Grünmalz erfordert deswegen auch eine längere Kochzeit, andernfalls bleibt ein Aroma nach gekochtem Mais oder schwarzen Oliven in der Würze zurück.
  • Phenole aus dem Keimling fallen bei bestimmten löslichen Proteinen aus und können eine permanente Trübung bilden [4].
  • Lipoxygenasen (LOX), die beim Darren verringert werden, können den Geschmack von Bier vorzeitig verändern. Man kann jedoch den Brauprozess anpassen und LOX-freie Gerstensorten [5] verwenden, um dieses Risiko zu verringern.

 

Schlussfolgerungen

Man sieht: Ja, der Einsatz von Grünmalz in Brauereien ist nicht ohne Folgen. Mälzer und Brauer können das Verfahren jedoch anpassen, um unerwünschte Auswirkungen auf das Bier zu verhindern.

Sollen wir aufhören, Bier zu trinken, weil dieses Getränk nicht „grün“ genug ist? Natürlich nicht! Soweit brauchen wir nicht zu gehen. Doch es ist uns möglich und zeitgemäß, alles zu tun, um den damit verbundenen ökologischen Fußabdruck zu verringern. Die Verwendung von Grünmalz in Brauereien ist einer der möglichen Wege. Grünmalz kann für Brauer ein relativ billiger Rohstoff sein, dessen enormes enzymatisches Potenzial viele Perspektiven bietet, insbesondere für den Einsatz in Kombination mit Rohgetreide.

Es sind sicherlich viele Herausforderungen zu meistern, bevor Brauereien Grünmalz ganz selbstverständlich verwenden werden. Keine dieser Herausforderungen scheint jedoch unüberwindbar. Die größte Herausforderung ist wahrscheinlich die Konservierung des Grünmalzes.


Quellen

  1. The World Bank data. 2019. Émissions de CO2 (tonnes métriques par habitant) – Belgium, URL: https://donnees.banquemondiale.org/indicateur/EN.ATM.CO2E.PC?locations=BE [abgerufen am 26. September 2019].
  2. Gibson, T. S.; Solah, V.; Holmes, M. G.; Taylor, H. R.: „Diastatic power in malted barley: contributions of malt parameters to its development and the potential of barley grain beta-amylase to predict malt diastatic power”, Journal of the Institute of Brewing 101(4), 1995, S. 277-280.
  3. Meura. 2019. Hydromill, URL: https://www.meura.com/products/hydromill.html [abgerufen am 25. September 2019].
  4. Steiner, E.; Becker, T.; Gastl, M.: „Turbidity and haze formation in beer – Insights and overview”, Journal of the Institute of Brewing 116(4), 2010, S. 360-368.
  5. Yu, J.; Huang, S.; Dong, J.; Fan, W.; Huang, S.; Liu, J.; Hu, S.: „The influence of LOX‐less barley malt on the flavour stability of wort and beer”, Journal of the Institute of Brewing 120(2), 2014, S. 93-98.