Know-How


	
						
	
	

				
			
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Hans Wächtler und Markus Ernst werden oft gefragt: „Könnt Ihr mal unser Bier verkosten?“ Klar können die beiden Bierbotschafter und Biersommeliers das. Die schwierigere Frage folgt erst danach: „Und, wie findet ihrs?“ Dazu müssen die beiden nämlich wissen, welchen Bierstil sie da vor sich haben. Aber warum eigentlich?

Geht es darum herauszufinden, ob ein Bier nun besser oder eher weniger gelungen ist, braucht es Vergleichswerte. Und da kommen dann Einteilungen bzw. Kriterien ins Spiel, nach denen ein Bier bewertete werden kann – die Bierstile. Ganz entscheidend ist der Bierstil dann, wenn es in einem Wettbewerb darum geht, das „beste“ Bier zu finden.

Welcher Bierstil solls sein?  ©itummy / shutterstock
Welcher Bierstil soll's sein? ©itummy / shutterstock

 

Einfaches Beispiel

Wenn bei einem Wettbewerb der beste Helle Bock gekürt werden soll, dann muss ein Bier auch dem Bierstil Heller Bock entsprechen. Klar, dass der Bierstil vorher festgelegt und vom Wettbewerbsveranstalter definiert werden muss. Bei einem Hellen Bock sind dies:

  • Stammwürze: 16 – 18 °P
  •  Alkohol: 6 – 8 % Vol.
  •  Farbe: 10 – 25 EBC
  •  Bittereinheiten: 20 – 35 IBU 

In der sensorischen Beschreibung wird jeder einzelne Bierstil von Antrunk, über Haupttrunk bis zum Nachtrunk beschrieben, dies soll die Einordnung des Bieres geschmacklich erleichtern.

Im Glas zeigt sich ein Bier in einem schönen Strohgelb bis hin zu einem kräftigen Goldgelb. Oben auf sitzt eine feinporige weiße Schaumkrone. Der Helle Bock ist in der Regel blank und klar.

Geruchlich finden sich vordergründig die Noten des Malzes, hervorstechend ist dabei eine Honignote. Je nach Interpretation können jedoch auch Topnoten des Hopfens zu riechen sein. Dabei spielen in der deutschen Interpretation eher klassische German Edelhops eine Rolle, die eher harzige grüne Noten hervorrufen, wie frische Tannennadeln, hinzu eventuell noch Kräuter- und leichte Zitrusnoten.

Im Antrunk zeigt sich das Helle Bockbier durch seinen samtigen und vollen Geschmackseindruck. Dabei ist die Süße nicht aufdringlich, sondern eher angenehm und Mundraum auskleidend. Im Haupttrunk dominieren dann die in der Nase wahrgenommenen Noten, je nach Interpretation eher hopfig oder malzig. Dabei sollte die Bittere nicht vordergründig sein. Der Nachtrunk sollte ausgewogen sein und das Bier samtig ölig den Rachen hinuntergleiten. In moderner Interpretation sind Bockbiere hochvergoren und überzeugen dadurch, dass die Süße spürbar ist, der Gesamteindruck aber eher trocken und nicht zu mastig ist.

 

Punktevergabe 

Das bedeutet, dass ein Helles Bockbier eine ganz bestimmte Farbe hat, nämlich hell und nicht dunkel oder bernsteinfarben, und dass es ein untergäriges Bier ist, das nicht mit obergäriger Hefe vergoren wurde. Wobei eine Abweichung von den genannten Sollwerten möglich ist. Abweichungen müssen aber im Sinne des Wettbewerbs zu Punktabzügen führen.

 

Fehler erlaubt – manchmal

Beim Thema Bierfehler wird dann nochmal klar, warum es so wichtig ist, Bierstile eindeutig festzulegen, zu kennen und einzuhalten. Biere sollten erst einmal frei von Fehlern sein. Das bedeutet unter anderem, dass keine ungewünschten Gärungsnebenprodukte, wie zum Beispiel Diacetyl, Aldehyde oder Schwefelverbindungen erkennbar sind. Auch Dimethylsulfid oder Metall sollten nicht auffindbar sein. Ebenso wenig sollten Biere sauer sein oder typische Noten wilder Hefen aufweisen, wie zum Beispiel feuchte Pferdedecke, Ziegenbock oder Heftpflaster. Aber: Bierfehler können eben auch typisch für einen bestimmten Bierstil sein. So gehört Diacetyl nun mal bei einem Bohemian Style Pilsner einfach dazu.

 

Historisches

Auch deshalb reicht das Wissen über die technologischen Daten und die Sensorik eines Bierstils nicht aus. Ihr sollte auch den historischen Hintergrund von Bierstilen kennen. Das bedeutet zum Beispiel für den Stil Bockbier folgendes:

Die Ursprünge des heute sehr bekannten Bockbieres mit oftmals bayerischer Herkunft liegen im Norden Deutschlands. Schon Mitte des 14. Jahrhunderts wurden für den Handelsexport stärkere Biere eingebraut. Zu diesem Zeitpunkt gab es im Norden Deutschlands mehr Brauereien als im Süden, da im Süden die Weinherstellung deutlich stärker vertreten war. Daher verwundert es nicht, dass ursprünglich in einer norddeutschen Stadt Namens Einbeck eines der beliebtesten Biere des heutigen Deutschlands hergestellt wurde. Dieses „Ainpöksche Pier“ war im 16. Jahrhundert am Bayrischen Hof so beliebt, dass Herzog Maximilian I. im Jahre 1612 Elias Pichler aus dem Norden im Hofbräuhaus in München anstellte, um eben dieses Bier nachzubrauen. Bis dato war es in Einbeck üblich, das beliebte Bier mit einem Teil Weizen/Weizenmalz einzubrauen. Da dies auf Grund der Landesverordnung von 1516 („Reinheitsgebot“) in Bayern untersagt war, wurde das Rezept entsprechend angepasst. Zudem wurde eine andere Hefe verwendet als in Einbeck üblich, da nach 1553 ein Sommerbrauverbot in Bayern galt und in den kalten Wintern in München nur untergärige Hefen ihre Arbeit wirklich gut verrichteten. Auch wenn eine genaue Unterscheidung zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich war, wurde durch Lautverschiebung aus dem „Ainpökschen Pier“ final das Bockbier.

Der historische Hintergrund eines Bierstils trägt auch dazu bei, wie ein Bierstil heute technologisch und sensorisch beschrieben wird. Das alles mündet dann darin, wie euer Bier entsprechend des Bierstils eingeordnet und bewertet werden kann.

 

So viele Bierstile …

Es ist ein langer und harter Weg, die Bierstile zu kennen, zu erkennen, zu beschreiben und vor allem zu bewerten. Das liegt schon allein an der riesigen Anzahl an Bierstilen – etwa 130 verschiedene gibt es. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich aufgrund regionaler Vorlieben verschiedene Ausprägungen ursprünglich gleicher Bierstile entwickelt haben und entwickeln. So gibt es zum Beispiel das Pils als German oder Bohemian Style oder das West und East Coast IPA usw. Eine endlose Geschichte …

Rund 130 verschiedene Bierstile gibt es. Schätzungsweise  ©MaxyM / shutterstock
Rund 130 verschiedene Bierstile gibt es – schätzungsweise ©MaxyM / shutterstock

 

Es lohnt sich aber, sich genauer mit dem Thema Bierstile zu beschäftigen. Hans Wächtler und Markus Ernst haben das getan und werden demnächst ihr Kompendium zu den Bierstilen inklusive technischer und sensorischer Beschreibung sowie historischem Hintergrund fertigstellen. Wenn ihr euch vorher schon mal etwas einlesen wollt, hier noch ein paar Bücher und Websites zum Nachschlagen und Schmökern. Diese Veröffentlichungen haben auch als Quelle für diesen Beitrag gedient.

-          https://www.craftbeer.com/beer-styles.

-          https://www.bjcp.org.

-           Dornbusch, H. (2017). Das grosse Brauwelt Lexikon der Biersorten. Nürnberg: Verlag Hans Carl.

-           Dornbusch, H. (2014). Die Biersorten der Brauwelt. Nürnberg: Verlag Hans Carl.

-           Mathias, P. (1959). The Brewing Industry in England 1700-1830. London: Cambridge University Press.

-           Oliver, G. (2012). The Oxford Companion to Beer. New York: Oxford University Press.

-           Steele, M. (2012). IPA Brewing Techniques, Recipes and the Evolution of INDIA PALE ALE. Boulder, Colorado: Brewers Publications.