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Der Begriff Barleywine ist natürlich irreführend, wie uns Horst Dornbusch erklärt: Barleywine ist ein Starkbier und hat nichts mit vergorenem Fruchtsaft zu tun. Seiner Herkunft nach ist Barleywine eine hochprozentige britische Sorte, die jedoch heute mehr von amerikanischen Craft Brauereien statt von Brauereien in ihrem Ursprungsland gebraut wird. Der Bierstil ist ziemlich vielfältig interpretierbar. Fixpunkte: Alkoholgehalt von mindestens acht Volumenprozent, der durch kräftige Hopfung ausbalanciert werden sollte.

 

Starkbier mit Reifebedarf

Historisch hat der Barleywine tiefe Wurzeln in der englischen Praxis des „Parti-Gyle“-Brauens. Gyle ist ein altenglischer Begriff für einen Gärbehälter oder für die in einem Behälter gesammelte Würze. Bei einem traditionellen Parti-Gyle-Verfahren (Teilbehälter) wird der Hauptguss separat als Vorderwürzebier abgeläutert, gekocht und vergoren. Das Ergebnis der Gärung einer solchen Würze mit beeindruckenden Stammwürzewerten von oft über 25 Prozent ist eben ein Getreide-„Wein”, was sich auf den Alkoholgehalt, aber nicht auf Geschmack oder Herstellung bezieht. Die hohen Stammwürzegehalte fordern die Hefe bis an die Grenze ihrer Alkoholtoleranz. Britische Starkbiere sind wenigstens seit dem 11. Jahrhundert belegt und wurden seitdem unter verschiedenen Namen wie Stock Ale (von englisch „stock”, Lager oder Vorrat), Strong Ale, Old Ale, Stale Ale (von englisch „to stall”, halten oder aufbewahren) oder Keeping Beer (haltbares Bier) gebraut. Vergleiche dazu auch den Ursprung der Bezeichnung des französischen Bière de garde. Diese mächtigen, hochprozentigen, britischen Starkbiere werden traditionsgemäß einige Monate oder sogar ein Jahr und länger gereift.

 

Und die Nachgüsse?

Der Nachguss im Parti-Gyle-Verfahren wurde gleichfalls separat verarbeitet und ergab normalerweise ein leichteres, oft als small beer bezeichnetes Ale, welches immer relativ frisch getrunken wurde. Einige Ale-Brauereien brauten sogar drei verschiedene kommerzielle Biere aus einer einzigen Malzschüttung, wobei das stärkste Bier als strong oder XXX, das mittlere als small oder XX und das leichteste ebenfalls als small oder X bezeichnet wurde. Älteren deutschen Braubeschreibungen zufolge war es auch in Deutschland im Mittelalter durchweg Praxis, small beers zu brauen. Diese Dünnbiere wurden oft als „Nachbiere” bezeichnet. Die fertigen Parti-Gyle-Biere konnten dann beliebig verschnitten werden – oder eben nicht –, um Biere verschiedener alkoholischer Stärken und Geschmacksrichtungen zu kreieren. Wurden die Biere von drei separaten Gyles nach der Gärung alle wieder zusammengeführt, so nannte man die einzelnen Biere vor dem Verschnitt oft threads (Fäden) und den daraus resultierenden Verschnitt entire, d.h. ganzes Bier.

 

Die Schüttung ... Grenzfaktor bei der modernen Herstellung von Barleywine

Im 19. Jahrhundert gaben die britischen Brauer im Zuge fortschreitender Innovationen in der Brautechnologie ihre traditionelle Parti-Gyle-Braumethode weitestgehend auf und gingen stattdessen auf Einzweckmaischen mit kontinuierlichem Überschwänzen beim Abläutern über. Big beers waren damit seitdem nicht mehr eine Funktion nur der Vorderwürze, sondern einfach das Ergebnis einer riesigen Malzschüttung. Der einzige Grenzfaktor bei der Herstellung von Barleywine in der Moderne scheint daher das physische Ausmaß des Maischebottichs im Sudhaus zu sein. Dabei kommen neben der Geometrie auch Faktoren wie die Maischeffizienz und die Aufheizgeschwindigkeit ins Spiel. Es ist selten, dass ein Bottich groß genug ist, um eine ganze Pfanne voll (also einen großen „Gyle“) von Barleywine zu produzieren. Daher sollte man sich am besten mit einer halben Pfanne von Barleywine pro Charge zufrieden geben und dann eben zweimal hintereinander einmaischen und abläutern, bis die Pfanne bzw. der Gärbehälter voll ist. Eine weitere Alternative ist, eine „dünne“ Würze solange zu kochen und zu verdampfen, bis die Pfannenstammwürze eine Barleywine-Stärke hat.

 

Werbeplakat für Bass' No.1 Barleywine
Werbeplakat für Bass' No.1 Barleywine; Quelle: Benutzer unbekannt, Wikimedia commons, als gemeinfrei gekennzeichnet

 

Junge kommerzielle Biersorte mit historischen Wurzeln

Barleywine ist zwar aufgrund seiner historischen Wurzeln in den Strong, Stock und Old Ales eine alte Sorte, als kommerzielle Biersorte ist sie aber recht jung, denn der Begriff „Barleywine“ entstand in seiner modernen Ausprägung erst im Jahre 1903, als die berühmte, englische Bass Brauerei in Burton-on-Trent ihr Starkbier unter dem Namen „Bass No. 1 Barley Wine“ auf den Markt brachte. Zu diesem Zeitpunkt waren leichtere Biere, besonders das Pale Ale und das Bitter, in England der Standard. Aber Barleywine setzte sich trotzdem als Nischen-Spezialbier durch, ähnlich wie Doppelbock in Bayern. Heutzutage gibt es viele Varianten von Barleywine, aber bei allen Ausführungen besticht vornehmlich die „Mächtigkeit“ als das herausragende Merkmal. Ein typischer Barleywine ist heute farblich blond bis dunkelbraun, sollte mindestens 8 Volumenprozent Alkohol aufweisen, kann aber auch bis zu 15 Prozent haben.

 

Strapazierfähige Hefe benötigt!

Barleywine muss unbedingt mit sehr strapazierfähiger Hefe vergoren werden. Gibt die Hefe nämlich zu früh auf, behält der Barleywine zu viel Restzucker und hat damit auch zu wenig Alkohol, was einen unangenehmen, sirupartigen Nachtrunk zur Folge hat.

 

Hopfen jenseits der Lösbarkeitsgrenze

In der Hopfung gibt es heute zwei sehr unterschiedliche Orientierungen. Die britischen Barleywine-Varianten werden natürlich mit klassischen, blumigen, britischen Hopfensorten wie Fuggle oder Golding gewürzt (Target und Northern Brewer sowie Aurora und Steirischer Golding würden ebenfalls passen). Selbst kontinental-europäische Hopfensorten sind vertretbar. Die amerikanischen Craft Brauer hingegen entladen oft ihr Arsenal von aggressiven Hoch-Alpha- und Hoch-Aroma-Sorten in die Sudpfanne. Manche amerikanischen Craft Brauer protzen gerne mit ihren Barleywine-Bittereinheiten, die sie stolz als bis zu 120 BE angeben. Das ist natürlich nur ein rechnerischer Wert, da in den meisten Suden – besonders bei den hohen Stammwürzewerten – die Grenze der Alphasäurelösbarkeit bei etwa 80 bis maximal 90 BE liegt! In den USA kann man daher in Barleywines ein volles Spektrum der Hopfenausrichtungen finden – vom würzigen deutschen Tettnanger über den aggressiv-zitrusartigen, typisch amerikanischen Cascade, bis hin zum deutschstämmigen aber amerikanisch angebauten, mit subtilen Zitrusnoten bescherten Mittelfrüh-Verwandten Liberty. Das hier vorgeschlagene Rezept hat eine interessante, aromatische „cross-over“ Hopfenauswahl von Aurora, Tettnanger und Cascade. Aber es steht natürlich jedem Brauer frei, in allen möglichen Richtungen mit der Würzung dieser Chamäleon-Biersorte zu experimentieren.

 

Sierra Nevada Bigfoot Barleywine Style Ale (2009), edwin, CC BY 2.0
Sierra Nevada Bigfoot Barleywine Style Ale (2009); Quelle: edwin auf flickr, CC BY 2.0

 

Hauptsache Beta-Amylase

Für einen hochprozentigen Barleywine sollte im Sudhaus eine Maischetemperatur gewählt werden, die die Aktivität der Beta-Amylase fördert, um ein Höchstmaß an vergärbarem Zucker zu erzeugen. Diese Enzymsorte wird ja bekanntlich bei etwa 40 °C aktiv und bringt ihre Höchstleistung bei etwa 65 °C. Auch ist eine lange Maischerast wichtig, um den Enzymen die besten Umwandlungschancen einzuräumen. Nach der Gärung entwickelt ein komplexer Barleywine – ähnlich wie ein guter Portwein – seinen abgerundeten sanften Geschmack als Unterbau des wärmenden Alkoholerlebnisses erst nach einer guten Reifezeit. Es ist Brauch, Barleywine nach der Abfüllung mindestens sechs Monate lang in der Flasche – oder viel besser: im Holzfass – zu lagern. Selbst ein leichter Oxidationsgeschmack – ebenfalls in Parallele zum Portwein – ist bei Fasslagerung eine nicht unerwünschte Geschmackskomponente. Es gibt Berichte von flaschengelagerten Barleywines, die selbst nach einem Vierteljahrhundert noch trinkbar waren. Der Name „Gerstenwein“ scheint daher durchaus passend für diese Starkbiersorte. Ein Barleywine wird am besten in kleinen Portionen in Cognacgläsern gereicht.

 

Das sagt das Rezept

Stammwürze: 25 Prozent
Restextrakt: 9,75 Prozent
Bittereinheiten: 95 BE
Farbe: 104 EBC
Alkohol: 8,1 Volumenprozent

 

Zutaten (gerundet) bei einer Sudhausausbeute von rund 65 Prozent für 20 Liter:

Malz Prozent kg
Pale Ale (Maris Otter (englisch), Golden Promise (schottisch)) 90 7,63
Melanoidin 8,5 0,74
Carafa® II
1,5 0,13
Gesamtschüttung 100 8,5

 

Hopfen Prozent Alpha g
Bitter: Aurora 8 58
Flavor: Tettnanger 4 56
Aroma: Cascade 5,75 56

 

Hefe Alkoholtolerante Londoner, amerikanische, belgische, Abtei-, schottische, eau-de-vie- oder sonstige obergärige Hefen

 

Mehrstufeninfusion. Bei 37 °C einmaischen. Temperatur auf 50 °C hochfahren. Rast 15 min. Temperatur auf 63 °C hochfahren. Rast 45 min. Temperatur auf 68 °C hochfahren. Rast 5 min. Temperatur auf 72 °C hochfahren. Im Kreislauf pumpen, bis die Würze blank läuft. Bei 77 °C abläutern. Oder Einfachinfusion. Bei 66 °C einmaischen. Rast 60 min. Temperatur auf 77 °C hochfahren. Im Kreislauf pumpen, bis die Würze blank läuft. Abläutern. Kochen 90 min. Bitterhopfen nach 30 min. Flavor-Hopfen nach 75 min. Aromahopfen nach 85 min. Whirlpool. Hauptgärung etwa 14 Tage bei 19–21 °C (abhängig von Hefe). Schlauchen. Nachgärung 4 Wochen. Schlauchen. Mit CO2 anreichern (etwa 3–4 g/l). Abfüllen. Beliebig lang reifen lassen.

 

Das sagst du!

So vielseitig wie der Bierstil, so variabel auch die Meinungen darüber. Für manche Biergenießer ist der Barleywine ein besonderer Genuss, die Flaschen werden wie Kostbarkeiten im Keller gehütet. Für andere ... zu viel Alkohol, zu schwer, zu süß ... Was ist deine Meinung über Barleywine? Hast du selbst ein Rezept? Hast du unseren Rezeptvorschlag ausprobiert und magst uns deine Erfahrungen damit mitteilen? Wie immer freuen wir uns über Zuschriften, Anregungen und Kommentare unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Gerne auch ein Foto deiner Kostbarkeiten im Kellerkühlschrank!