Durch Messung des Stammwürzegehalts vor der Gärung und des scheinbaren Extrakts nach der Gärung mit der Bierspindel haben wir euch eine Berechnungsmöglichkeit des Alkoholgehaltes in Gewichtsprozent (GG%) von Fertigbier vorgestellt. Kleine Brauereien haben oft nicht die Möglichkeit zu weiteren Messungen – die nötigen Gerätschaften sind teuer. In diesem Beitrag erklärt unser Autor Alexander Rokweiler, wie auch ihr eine „kleine Bieranalyse“ auf Basis von einfachen Messungen und Berechnungen erstellen könnt. Alles, was man braucht, ist die Platotabelle ...
Da zum Verständnis dieser Berechnungen einige Grundlagen notwendig sind, wollen wir zunächst einige Begriffe und Sachverhalte klären. Eine erste Übersicht über die Parameter unserer „kleinen Bieranalyse“ zeigt die folgende Tabelle.
Tabelle 1: Die wichtigsten Parameter einer Bieranalyse
Parameter |
Einheit |
Beschreibung |
g/100 g oder g/100 ml |
Extraktgehalt vor der Gärung |
|
Extraktscheinbar |
g/100 g oder g/100 ml |
Extraktgehalt während oder nach der Gärung, verfälscht durch den Ethanolanteil |
Alkohol |
g/100 g oder ml/100 ml |
Ethanolgehalt des Bieres |
Extraktwirklich |
g/100 g oder g/100 ml |
Extraktgehalt während oder nach der Gärung, ohne Verfälschung durch den Ethanolanteil (wird rechnerisch ermittelt) |
Vscheinbar |
% |
scheinbarer Vergärungsgrad während / vor der Gärung, verfälscht durch den Ethanolanteil |
Vwirklich |
% |
wirklicher Vergärungsgrad |
Dichte
Beim Thema Dichte kann es schnell zu Missverständnissen kommen. Man unterscheidet zwischen der „wahren Dichte“ und der „relativen Dichte“. Die wahre Dichte ist das Verhältnis von Masse zu Volumen und trägt damit die Einheit [kg/m3] oder [g/cm3]:
Bei der relativen Dichte handelt es sich um das Verhältnis der Dichte einer Flüssigkeit bei einer bestimmten Temperatur zu der Dichte von Wasser bei einer bestimmten Bezugstemperatur. Übliche relative Dichten sind z.B. D20/20 und D20/4. D.h. man setzt hier die Dichte einer Flüssigkeit bei 20 °C ins Verhältnis zu der Dichte von Wasser bei 20 °C (D20/20) bzw. der Dichte von Wasser bei 4 °C (D20/4):
Zur Verdeutlichung bestimmen wir D20/20 und D20/4 von Wasser: Bei 20 °C wiegt ein Kubikmeter Wasser 998,203 kg/m3. Und wegen der Dichteanomalie wiegt Wasser bei 4 °C 999,975 kg/m3. Die beiden „relativen Dichten“ lassen sich dann wie folgt berechnen:
Wir halten fest:
- Die Dichte D20/4 ist immer kleiner als die Dichte D20/20 (weil Wasser bei 4 °C seine größte Dichte erreicht).
- Die Dichten D20/20 und D20/4 sind dimensionslos.
Stammwürze
Die Definition des Begriffs „Stammwürze“ basiert auf einer Modelllösung. Diese Modelllösung wurde ursprünglich 1843 von Carl Balling als „X Gramm Saccharose in 100 g Lösung“ festgelegt und anfangs als Balling-Grad bezeichnet. Fritz Plato griff diese Definition um das Jahr 1900 wieder auf und definierte eine Beziehung zwischen der Dichte und der von ihm festgelegten Einheit Grad Plato. Diese Beziehung ist im Brauereibereich in Form der sogenannten Rohrzuckertabelle, welche vielfach auch als „Platotabelle“ bezeichnet wird, bis heute in Gebrauch [1]. In der nachfolgenden Tabelle ist ein kleiner Ausschnitt aus der Platotabelle wiedergegeben.
Tabelle 2: Ausschnitt aus der „Platotabelle“
Gewichtsverhältnis SL 20/20 °C |
Gew. % |
Dichte D20/4 °C |
Gemischt % |
1 |
2 |
3 |
4 |
1,00000 |
0,00 |
0,99823 |
0,00 |
… |
… |
… |
… |
1,04419 |
11,00 |
1,04229 |
11,47 |
1,04502 |
11,20 |
1,04312 |
11,68 |
1,04586 |
11,40 |
1,04395 |
11,90 |
1,04670 |
11,60 |
1,04479 |
12,12 |
1,04754 |
11,80 |
1,04563 |
12,34 |
1,04838 |
12,00 |
1,04646 |
12,56 |
… | … |
… |
… |
Das „Gewichtsverhältnis SL20/20 °C“ in Spalte 1 bezeichnet das veraltete „Tauchgewichtsverhältnis“ der Dichtemessung. Wir wollen uns nicht näher mit dem Begriff auseinandersetzen, sondern für uns eine wesentliche Tatsache festhalten: Dieser Wert entspricht in der praktischen Anwendung wertmäßig der Dichte D20/20. SL 20/20 bzw. D20/20 wird im anglo-amerikanischen Sprachraum auch als „Specific Gravity“ SG bezeichnet. Nochmal: D20/20 = SG = SL20/20.
Das Gewichtsverhältnis SL20/20 (= D20/20 = SG) steht mit der Dichte D20/4 (in Spalte 3 der Platotabelle) in mathematischer Beziehung:
In Spalte 2 ist der Stammwürzegehalt als Gewichtsprozent g in 100 g [°Plato] (bzw. kurz GG%) aufgeführt. Zur Dichte D20/20 bzw. dem Tauchgewichtsverhältnis SL20/20 existieren empirische Umrechnungsformeln.
Im Bereich 0,00 bis 21,87 GG%:
Im Bereich 21,88 bis 30,00 GG%:
In Spalte 4 der Platotabelle sind die „Gemischt % [g in 100 ml bei 20 °C]“ (bzw. kurz GV%) angegeben. Hier muss man aufpassen: GV% wird oft fälschlicherweise mit „Volumen %, [ml in 100 ml]“ verwechselt. Daher sei an dieser Stelle nochmals auf die bei den GV% vorliegende Beziehung „Masse in Volumen“ hingewiesen. Die GV% stehen mit den GG% aus Spalte 2 in folgender mathematischer Beziehung:
Volumenprozente finden im Brauereibereich in erster Linie Anwendung zur Angabe des Alkoholgehalts bzw. der Alkoholkonzentration im Fertigbier, mehr dazu dann im folgenden Abschnitt Berechnungen.
Berechnungen
Wie wir bereits im Beitrag zum richtigen Umgang mit dem Aräometer (umgangssprachlich Bierspindel) diskutiert hatten, wird der gemessene Extraktgehalt von gärendem bzw. vergorenem Bier durch den während der Gärung gebildeten Ethanol verfälscht. Die Dichte der gärenden Würze wird nicht nur durch den Abbau von Zucker kleiner, sondern noch zusätzlich durch die Bildung von Alkohol verringert. Brauer unterscheiden deshalb zwischen dem „wirklichen Extrakt“ und dem „scheinbaren Extrakt“.
Wir benötigen zur Berechnung des „wirklichen Extrakts“ die aus dem vorigen Beitrag bereits bekannten und bestimmten Analyseparameter „Stammwürze“ und „Alkoholgehalt“. Durch die Umstellung der Balling-Formel nach dem wirklichen Extrakt ergibt sich dann die Formel:
Die Stammwürze vor der Gärung (GG%) wird dabei als p dargestellt, A bezeichnet den Alkoholgehalt (GG%).
Der wirkliche Vergärungsgrad berechnet sich wie folgt:
Und der scheinbare Vergärungsgrad dann analog:
Fachlich richtig werden die Vergärungsgrade allerdings ausschließlich aus dem GV% errechnet:
- p = Stammwürze, vor der Gärung (GV%);
- Ewirklich = Wirklicher Extrakt, endvergoren (GV%);
- Escheinbar = Scheinbarer Extrakt, endvergoren (GV%).
Wie ermittelt man aber nun aus den GG% die GV%?
Zur Veranschaulichung wollen wir uns wiederum einen Ausschnitt aus der Platotabelle zu Hilfe nehmen, die Zellen von Interesse sind gesondert hervorgehoben.
Aus 12,43 GG% (Stammwürze vor der Gärung, rot markierte Zelle in Tabelle 3) ergeben sich demnach 13,03 GV% (grün markierte Zelle). Mit den GG% für Ewirklich bzw. Escheinbar wird analog verfahren, um die entsprechenden GV% auszulesen.
Tabelle 3: Ausschnitt aus der „Platotabelle“ zur Bestimmung der Vergärungsgrade
Gewichts-verhältnis SL 20/20 °C |
Gew. % |
Dichte D20/4°C |
Gemischt % |
1,05014 |
12,42 |
1,04822 |
13,02 |
1,05018 |
12,43 |
1,04827 |
13,03 |
1,05023 |
12,44 |
1,04831 |
13,04 |
Alkoholgehalt in Volumenprozent
Um jetzt endlich aus dem Alkoholgehalt in GG% den Alkoholgehalt in Volumenprozent zu berechnen, benötigen wir korrekterweise die Dichte von reinem Ethanol und die Dichte des endvergorenen Bieres:
Die Dichte des Bieres erhalten wir wieder aus der Platotabelle: Hierbei wird der Wert des ermittelten scheinbaren Extraktgehaltes in GG% zugrundegelegt (rot markierte Zelle in Tabelle 4), um die Dichte 20/4 auszulesen (grüne Zelle). Die Dichte des reinen Alkohols kann bei 4 °C näherungsweise mit 0,78926 eingesetzt werden.
Tabelle 4: Ausschnitt aus der „Platotabelle“ zur Bestimmung der Volumenprozent Alkohol
Gewichts-verhältnis SL 20/20 °C |
Gew. % |
Dichte D20/4 °C |
Gemischt % |
1,00808 |
2,07 |
1,00629 |
2,08 |
1,00812 |
2,08 |
1,00633 |
2,09 |
1,00816 |
2,09 |
1,00637 |
2,10 |
Da wir in der praktischen Anwendung nur mit einer Nachkommastelle arbeiten, können wir überschlagsmäßig die Dichte D20/4 von Bier vernachlässigen und wie folgt vereinfachen:
Vorsicht: Der so berechnete Alkoholgehalt darf nicht zur Deklaration des Fertigproduktes verwendet werden. Für den Zoll müssen wir mit der Balling-Formel arbeiten!
Literatur
Pawlowski/Schild (1972): Die Brautechnischen Untersuchungsmethoden, 8. Auflage. Institut für Gärungsgewerbe, Berlin, Seestraße (1977), Rohrzuckertafel.